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Kirche rückt vom Teufel ab

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Unsere Zeit sei wieder „teufelsgläubiger” geworden, ist weit herum zu hören. Der Teufel, der schon im 18. Jahrhundert durch die Aufklärung verabschiedet werden mußte, weil er mit der menschlichen Vernunft nicht vereinbar ist, der aber in unserer Zeit auch bei gläubigen Christen mehr und mehr an Prestige verliert, feiere neue Triumphe.

Bei näherem Zusehen kann davon gar keine Rede sein. Daß Gott Engel erschaffen habe, ein Teil von ihnen aber - trotz des helleren Verstandes, den Engel angeblich haben - einen „Aufstand” gegen Gott gewagt und zur Strafe dafür in den Abgrund gestürzt und in Teufel verwandelt worden wären, können heute nur noch naive Leute glauben. Und auch sie täten es nicht, wäre nicht diese Legende von der katholischen Kirche bis in unsere Zeit als Glaubenslehre verkündet worden. Daß die Kirche dies tat, ist erstaunlich. Denn sie mußte wissen, daß diese Lehre in der Bibel keine Stütze findet, sich vielmehr in geschwätzigen und phantasiereichen außerbiblischen jüdischen Schriften breitmachte. Weil diese zur Zeit Jesu Gemeingut des Volksglaubens waren, haben sie auch im Neuen Testament ihre Spuren hinterlassen. Der Teufelsglaube ist im Judentum beheimatet. Während er aber dort nur ein kurzes Gastspiel gab und bald wieder verschwand, hat die christliche Kirche dieses fragwürdige Erbe eifrig gehegt und gepflegt.

Wer in diesen kirchlichen Kreisen den Teufelsglauben in Frage stellte, dem wurde spontan entgegengehalten: Aber es gibt doch das Böse! Diese Identifizierung des Bösen mit dem Bösen in Person, dem Teufel, hatte in der Geschichte der christlichen Kirchen die fatalsten Folgen. Sie verkehrte die Frohbotschaft des Evangeliums in eine Drohbotschaft vom Teufel und vermittelte ein Gottesbild, von dem man

Vor knapp 30 Jahren propagierte Herbert Haag den „Abschied vom Teufel”.

Auch heute noch sieht der streitbare Theologe keinen Anlaß für dessen Rückkehr. sich nur mit Entsetzen abwenden kann. Gott will das I leil der Menschen, jagt ihnen aber gleichzeitig ständig einen nach, der sie von dem Heil abbringen soll, zu dem Gott sie berufen hat. Da aber umgekehrt nach der Lehre der Theologen der Teufel nur das tun kann, was-Gott ihm erlaubt, muß der allgemeine Heilswille Gottes in ein äußerst schiefes Licht geraten.

In Wirklichkeit ist die Erklärung des Bösen durch den Teufel untauglich. Denn wenn das Böse vom Teufel kommt, stellt sich die Frage, wie denn die guten Engel ohne Teufel dazu kamen, das Böse zu tun. Damit wird das Böse in die freie Entscheidung des Geschöpfes gelegt. Und damit wird die Erklärung des Bösen durch den Teufel nicht nur untauglich, sondern auch unnötig. Schon die Bibel sieht das Böse nicht im Teufel, sondern in der Ver-faßtheit des Menschen begründet. Das meint sie, wenn sie feststellt, „das Gebilde des menschlichen Herzens sei böse von Jugend auf”, das heißt, das Böse sitze in der Veranlagung des Menschen. Dasselbe lehrt Jesus, wenn er sagt, alles Böse komme aus dem Herzen des Menschen (Mk 7,21-23). Für Jesus ist es eine Selbstverständlichkeit, daß Gutes und Böses miteinander koexistieren wie das Unkraut mit dem Weizen (Mt 13,24-30). Das geht so weit, daß Jesus sogar verbietet, das Böse auch nur zu bekämpfen: „Ihr sollt dem Bösen nicht entgegentreten” (Mt 5,39). Diese Einsicht, die die Bibel ganz schlicht ihrem gesunden Menschenverstand verdankt, ist durch die modernen Humandisziplinen nun auch wissenschaftlich abgesichert.

Somit müßte es in einer wissenschaftsgläubigen Welt wie der unseren für den Teufelsglauben keine Chance mehr geben. Indes sprechen wir nicht ohne Grund vom „Geheimnis des Bösen”, weil ihm mit rationalen Kriterien allein nicht beizukommen ist.

Wenn mein Zug auf offener Strecke eine halbe Stunde stehenbleibt und ich zu meinem Arger den nächsten Anschluß verpasse, weil sich einer vor den Zug geworfen hat, um aus dem Leben zu scheiden -wie soll ich dies rational erklären? Und auch wer Kafkas „Der Prozeß” nicht gelesen hat, weiß, daß das Böse lawinenartig anwachsen kann, daß es mehr wird als die Summe der bösen Taten einzelner, so wie die Bürokratie mehr ist als die Summe von Bürokraten. Daß sich für diese anonymen Mächte dann die Chiffre „Teufel” anbietet, wen soll das wundern?

Demnach liegt die Vermutung nahe, daß der angeblich wiederkehrende Teufel nicht der traditionelle „katholische” Teufel ist, den es zu verabschieden galt. Vielmehr ist der „moderne” Teufel ein Interpretament für psychische Vorgänge und innerweltliche Ereignisse, für die die betroffenen Menschen in ihrer Religion keine befriedigende Erklärung finden. Schon von daher ist gegenüber der Rede von einer neuen Teufelswelle größte Vorsicht geboten, ganz abgesehen davon, daß immer mit Übertreibungen und Aufbauschungen von Einzelszenen zu rechnen ist. Wenn behauptet wird, es gebe in Deutschland fünfzigtausend Satansanbeter, ist allein schon zu fragen, wie man auf diese Zahl kommt. Sollte sie aber stimmen, so wäre dies im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ein winziges Häufchen.

Jedenfalls haben wir es beim „Satanismus” mit einer Protestbewegung zu tun - Protest gegen die etablierten Kirchen und das „Establishment” insgesamt-, die keineswegs den Glauben an einen wahrhaftigen Satan voraussetzt, von dem seine „Anhänger” in der Regel nicht die geringste Ahnung haben.

Dabei sind die Motive vielfältig. Da ist zunächst die Feststellung, daß von einer Lenkung der Welt durch Gott nichts wahrzunehmen ist. Hat nicht eher der Satan diese Rolle übernommen? Hinzu kommt der heute verbreitete Drang, aus der nüchternen, rationalen Welt in jene der geheimen Kräfte und der Esoterik zu flüchten (dazu gehört auch das Verlangen, mit den Geistern Verstorbener in Verbindung zu treten).

Eine große Rolle spielt die sexuelle Komponente. Schließlich hat die Kirche die Sexualität beharrlich verteufelt. Warum soll man sie somit nicht beim Teufel suchen und finden? Bezeichnend ist, daß der Satanismus vor allem in einem Milieu Fuß faßt, das intelligenzmäßig unter dem Durchschnitt liegt, auffallen (schwarze Kleidung!) und imponieren will und zur Gewalttätigkeit, ja Grausamkeit neigt.

Mag auch der traditionelle, der „katholische” Teufelsglaube noch nicht ausgestorben sein, so verläuft die Entwicklung doch eher zu seinen Ungunsten als zu seinen Gunsten. Trotz gelegentlicher Erwähnungen des Teufels in päpstlichen Pilgeransprachen ist die offizielle Lehre der Kirche von einem systematischen Abrücken vom Teufelsglauben geprägt. Zum Beispiel wurden im nachkonziliaren Meßbuch von 1970 fast alle Erwähnungen des Teufels, die sich im früheren Missale fanden, gestrichen. Daß freilich auch hier, wie anderswo, der Volksglaube seine eigenen Wege geht, rundet lediglich das Bild ab.

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