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„Libussa“ im Burggraben

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Im Jahr 1822 schreibt Grillparzer erste Gedanken zur Gestaltung des „Libussa“-Stoffes nieder, 1848 legt er die letzte Hand an das vollendete Drama. Ist es ein Zufall, daß der lange Reifungsprozeß gerade in jenem Jahr seinen Abschluß findet, in dem Österreich und ganz Mitteleuropa, zu dessen Herzlanden Libussas Böhmen, gehört, den Uber-gang in eine neue Epoche vollziehen? Auch die mythische Fürstin und Seherin steht an einem Wendepunkt der Zeiten, und ihr Dichter — Zeuge und Mahner — faßt Erlebnis und Vision ins Wort, gibt „Wahrheit, nur verhüllt in Gleichnis und selbstgeschaffnes Bild“. . Nun... ging •,“,;Libussa“. das tiefsinnige Märchen um die h'o,he Frau, die slcn den schlYcnten'Xandmann zum Gatten wählt und die Geschicke ihres Volkes in seine festen Hände legt, als erste der sommerlichen Freilichtinszenierungen auf Burg Forchtenstein über die Bühne. Franz Reichert, dem — wie Primislaus Libussens kostbarer Gürtel — das Geschmeide dieser Dichtung anvertraut war, brach manchen Teil aus dem Gefüge des Ganzen und machte gleichsam aus dem Gürtel mit dem Kleinod wenn schon nicht einen Armreif, so doch nur ein Halsband, mit anderen Worten, er bot eine ziemlich gekürzte Fassung, weil er eben weiß, daß viele der Zuschauer nach der Vorstellung bis nach Wien fahren müssen. Ein Zugeständnis an den kulturellen Sozialtourismus, das man gerade bei diesem Werk nicht machen sollte.

Erfreulich jedoch, daß man auf der Bühne im Burggraben, wo Rudolf Schulz Böhmens Hain und Flur auf

karge Rampen und eine Holzbrücke reduzierte, ohne dadurch Monumentalität zu gewinnen, einige interessante schauspielerische Leistungen sah. Charlotte Oswald als Libussa war letzter zarter Sproß uralter matriarchalischer Ordnung, schattierte die Ausdrucksskala von der Gefühlsinnigkeit bis zu den großen visionären Szenen plastisch ab. Für Wolfgang Gasser, den Primislaus der Inszenierung, mögen Grill-parzers eigene Worte als Charakteristik stehen: „Festigkeit, Ausdauer, ordnender Verstand.“ Ein rechter Mann, nehmt alles nur in allem, hinter der Pflugschar und im Fürstenmantel des Städtegründers. Dunkel, ganz im Mythischen verwurzelt und nie seinen Bannkreis verlassend, Grete Zimmer und Hella Ferstl als Libussas Schwestern. Profiliert in den Nebenrollen der Dienerinnen: Gudrun Geier und Monica Bleibtreu. Die drei Wladiken Peter Parak, Horst Vincon und Rudolf Rösner blieben ziemlich farblos, sie trugen allerdings die stilistisch am besten gelungenen Kostüme, während Rudolf Schulz bei den übrigen Entwürfen keine sehr glückliche Hand bewies, die Prunkgewänder sind byzantinisierend, die Krieger erinnern an Gewappnete aus Fritz Längs „Nibelungen“-Film, Dienerinnen und Volk erschienen in den obligaten schlichten Mehrzwecke-Kostümen für alle Jahrhunderte des Mittelalters. Die kurzen Musikeinblendungen — Fritz Leitermeyer komponierte sie — würden eher zu einem Fernsehspiel passen. Lebhafter Schlußapplaus für die Hauptdarsteller.

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