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Literatur

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empfindet es wohl so; in seinem letzten Buch „Um die Wette leben", das 1993 nach zehnjähriger Pause (zwei Theaterstücke ausgenommen) erschienen ist (siehe FURCHE 23/1993), setzt er zum Rundumschlag gegen die Kritik an.

Die Kritik hat es schwer mit Franz Innerhofer. Soll sie ihn schonen wegen seines bedeutenden und einzigartigen Erstlings? Oder soll sie ihn als Maßstab nehmen, um immer wieder festzustellen, daß er ihn nicht erreicht? Aber muß jemand, der ein bedeutendes Buch geschrieben hat, den Beruf Autor ein Leben lang ausüben? Karl Philipp Moritz ist mit dem von Goethe bejubelten „Anton Reiser" in die Literaturgeschichte eingegangen, und Ulrich Bräker kennen wir auch nur durch seine Autobiographie „Der arme Mann von Tockenburg". Andererseits: Kann jemand die Schriftstellerei aufgeben, der einmal in ihr seine Sprache gefunden hat?

„Schauen Sie, daß Sie nicht zu sehr ins Autobiographische kommen" - Innerhofer hat im letzten Buch die Erwartung der Kritik ironisiert, aber nicht aus der Welt geschafft. „Fabriken nicht mehr, Arbeiter nicht mehr", so belehrt der Verleger in totaler Abhängigkeit von der Kritik den .Schriftsteller Artner, das Alter ego In-nerhofers. Aber weder funktioniert der Literaturbetrieb nach solchen Schwarz-Weiß-Schemata, noch ist Innerhofer ein zeitunabhängiger Einzelfall. Auch von seinem Jahrgangskollegen Gernot Wolfgruber hat man lange nichts gehört. Über Innerhofers und Wolfgrubers literarische Sondie-.rung der Welt der Arbeiter ist in gewissem Sinn sowohl die Arbeitswelt als auch die Literatur hinausgegangen.

HANDWERKUCHE KÖNNER

Experimenteller Auflösung des Erzählens und der Selbstverständ-hchkeit „realistischer" Darstellung sozialer Realität oder eigenen Erlebens (in der seinerzeit so genannten „neuen Subjektivität") steht heute bei jungen Schriftstellern ein genaues erzähltechnisches Kalkül und bewußt eingesetzes Erzählhandwerk gegenüber. Robert Schneiders „Schlafes Bruder" oder Christoph Ransmayrs „Letzte Weh" heßen sich hier anführen, aber auch der Deutsch-Amerikaner Patrick Roth mit der ChristusnoveUe „Riverside" und „Johnny Shines oder Die Wiedererweckung der Toten". (Autobiographisch hat in dieser Generation nur Norbert Gstrein begonnen, und er hat sich ziemlich rasch anderen Stoffen zugewandt.)

Mit der Tatsache, daß junge Autoren es heute schwerer haben als in den siebziger Jahren, einen Verlag zu finden und daher bei ihrem Debüt technisch schon wesentlich weiter sind, läßt sich das nur teilweise erklären. Fast hat es den Anschein, daß ein verhängnisvoller Gegensatz, der im angelsächsischen Bereich nie als solcher gesehen wurde, aber in der deutschen Kunstauffassung seit dem problematischen Geniebe-griff der Sturm-und-Drang-Periode bemüht wird - der Gegensatz von künstlerischer Inspiration und handwerklichen Fertigkeiten - zumindest relativiert wird.

Franz Innerhofer ist zum Fremdkörper in der literarischen Landschaft geworden, in die er sich vor 20 Jahren wie ein Komet hineinkatapultiert hat. Er ist kein Routinier - weder in der Literatur noch im Leben. Und er tut sich schwer mit den Worten und Sätzen; das ist der Eindruck, wenn

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