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Max Mells dramatische Dichtungen

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Es ist ein signifikantes Merkmal der Tragödiendichtung unserer Tage, daß sie ihre Stoffe nicht aus der unmittelbaren Begegnung mit der Wirklichkeit schöpft, sondern sie der festgeprägten Welt des Mythos entnimmt. Deutet sich darin ein Fehlen von Mut, ein Mangel an gestaltender Kraft an? Ist der Rückgriff auf eine bereits vorgeformte dichterische Wirklichkeit ein Zeichen für das Versiegen der schöpferischen Phantasie? Oder gibt das Abrücken von der Zeit dem Dichter die Möglichkeit, das Phänomen des Tragischen reiner zu erfassen und gültiger darzustellen? Die Antwort läßt sich nicht in einem bloßen Ja oder Nein erschöpfen, denn die Erscheinung ist zu vielfältig, als daß sie sich auf eine einzige Formel bringen ließe. Hofmannsthal, Hauptmann, Anouill, Giraudoux, Cocteau und O'Neill haben im bewußten Zurückgreifen auf den griechischen Mythos Probleme ihrer jeweiligen Gegenwart zur Klärung gebracht. Was sie alle verbindet, das ist der Wille, jenseits der durchaus noch wirksamen Tradition des Christentums eine Welt des bloß Menschlichen zu finden.

Was aber bedeutet es, wenn ein gläubiger Christ wie Max Meli auf den Mythos zurückgreift? Von dieser Frage geht die vorliegende Untersuchung aus, die schon im Titel das fragliche Zusammenspiel der drei Bereiche zum Ausdruck bringt. *

„Seit dem Erscheinen Christi bestand das Gleichgewicht für den abendländischen Menschen darin, daß er an einen Ablauf des Lebens in überirdischen Bereichen glaubte. Mit dem Aufkommen der Neuzeit jedoch entstand und verstärkte sich in zunehmendem Maße die Überzeugung, er habe sein Gleichgewicht in dieser Welt zu erringen. Das geschah in einem solchen Mafle, daß es schließlich an der Grenze des Wißbaren zum Zusammenbruch kommen mußte und so eine Anfangssituation da war, eine Welt ohne Bezug auf metaphystsche Werte, nicht einmal mehr, wie in der Antike, eine Zeit der Einheit des Menschen mit der Erde, seiner Mutter, von der er ausging und in die er wieder zurück mußte, in welcher alles beschlossen war und die deshalb göttliche Verehrung genoß!“

Die Anfangssituation, die jenseits der Grenze des Wißbaren liegt, hat Max Meli auf den Mythos zurückgeführt. Hier erlebt er den Zugang zu den absoluten Werten als Ergebnis unmittelbarer Erfahrung der Preisgegeberdieit der menschlichen Existenz. Die Frage nach dem, was der Mensch ist und was er soll, setzt da schon vor der Erlösung durch Christus ein, durch die diese Frage für immer geklärt worden ist. In zwei Dramen hat Meli die Welt des

Mythos beschworen. Die Tragödie „Sieben gegen Theben“, 1931, prüft am Vorwurf des Aischylos die Tragfähigkeit der Bindungen des Blutes in der gewandelten Welt der Gegenwart. Der chthonischen Welt der Verbundenheit der Geschwister stellt Meli die freie sittliche Entscheidung der Antigone gegenüber, die in ihrer Liebe das starre Gesetz überwindet. Aber noch endet die befreiende Tat in Untergang und Tod. Gerade diese Erfahrung aber öffnet den Blick ins Sein. Während der Mythos der feindlichen Brüder die Tragik des einzelnen entbirgt, läßt die Sage von den Nibelungen die schuldhafte Verstrickung und Befreiung der geschichtlich handelnden Völker erkennen. Meli gestaltete diesen Stoff in jener Zeit, die in der furchtbarsten Weise die Gefährdung des einzelnen Menschen als Glied des Volkes entblößte. Hatte der germanische Mythos die ungebrochene Schicksalsgläubigkeit verherrlicht, die Rache als eine sittliche Pflicht gerechtfertigt, so enthüllt uns Meli das tief Fragwürdige dieser Welt, die ohne jeden Ausblick in die Transzendenz Entscheidungen auf sich nehmen will, die weit über das hinausreichen, was der einzelne verantworten kann.

Der schöne Ertrag des Buches von Gottfried Stix entspringt gerade der fortwährenden Konfrontation der gegenwärtigen Situation mit der mythischen Überlieferung. Nur aus diesem Gegenspiel läßt sich das Werk des späten Meli begreifen. Das Buch regt an, wirft viele Fragen auf, die aber über den unmittelbaren Gegenstand hinausreichen. Es zwingt uns, das Problem neu zu prüfen, wie weit Tragik im christlichen Raum überhaupt möglich sei. Die Diskussion, die zwischen Haecker und Bern-hart eingesetzt hat, wird hier an einem konkreten Beispiel vertiaM Nicht allein in der Darstellung von Mells Sparwerk, sondern gerade in der Neuformulierung dieser grundsätzlichen Fragen liegt der bleibende Ertrag dieses Versuchs.

Univ.-Prof. Dr. E. Thürnh er

LOSENSTEIN. Einst und jetzt. Von Josef Aschauer. Zeichnungen von Lois Weinberger. Im Selbstverlag der Gemeinde Losenstein. 207 Seiten mit zahlreichen Zeichnungen und Abbildungen, 8 Tafeln, 4 Karten. Oberösterreichischer Landesverlag, Linz.

Über die „Perle des Ennstales“, wie Losenstein nicht mit Unrecht genannt wird, schrieb Pillwein 1828: „Nach den Angaben des Distriktskommissariates Losenstein kann über die Ortsgeschichte nichts angegeben werden, weil die Akten mangeln und die Tradition über alles schweigt.“ Josef Low, Maler und Zeichenlehrer in Steyr, wußte 1832 wenigstens unter anderem das romantische Raubschloß, die alte Ruine von Losenstein, die wilde und rauhe Gegend, die beträchtliehe Anzahl von Feuerarbeitern und Gewerbsleuten hervorzuheben. Was Liebe zur Heimat und insbesondere Forscherarbeit zu leisten vermag, zeigt uns Pfarrer Josef Aschauer mit dem ihm eigenen Spürsinn eines vorbildlichen Historikers in dem Losensteiner Heimatbuch, das wohl kaum noch Wünsche offen läßt. Die sauberen, instruktiven Zeichnungen erhöhen den einwandfreien Text. Ergänzend sei nur hingewiesen, welche Bedeutung auch für Losenstein das Messingwerk Reichraming, gegründet 1569 von Werner Manstein, hatte, da der Erzherzog' Karl II. v. Innerösterreich 1588/89 die bronzenen Säulen für die reiche Schranken-architektur des Mausoleums in der Seckauer Basilika bei ihm gießen ließ. (Vgl. Das Mausoleum der Habsburger in der Seckauer Basilika, in: Seckauer geschichtliche Studien, Heft 14 (1958, S. 12/13.) — Dieses in jeder Beziehung geschmackvoll ausgestattete Heimatbuch stellt der aufstrebenden Gemeinde Losenstein mit ihrem um die Heimat hochverdienten Bürgermeister Otto Kronsteiner ein gutes Zeugnis aus, auf dessen Initiative dank namhafter Druckkostenzuschüsse des Landes sowie der Ennskraftwerke AG. Steyr nicht nur den Einheimischen *und zahlreichen Sommergästen, vor allem auch der Heimatforschung ein bleibendes Werk geschenkt wurde. Dem Oberösterreichischen Landesverlag gebührt Anerkennung für die saubere Ausstattung, dem Verfasser ist der Dank sicher.

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