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Port Royal von Montherlant

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Ueber dieses Werk ist eigentlich schon alles gesagt worden. Kritik und Autor haben in zahlreichen Artikeln, Analysen und Kommentaren die hohe Geistig-keit, die grundlegende religiöse und menschliche Bedeutung des Konfliktes der Nonnen von Port Royal mit der geistlichen Autorität zu erklären versucht. Das : ebenso elegant wie gelehrt abgefaßte Programmheft des Burgtheaters läßt seinerseits Träger bekannter Namen zu diesem Problem Stellung nehmen. Man muß jedoch gestehen, daß trotz Montherlants Vergleich mit der Einfachheit der griechischen Tragödie der Gesamteindruck des Stückes verwickelt und verwirrend bleibt. Nicht etwa daß die aufgestellten Themen — Gehorsam und Autorität, individuelle Gewissensfreiheit und Gemeinschaftsdisziplin — mit ihrem christlichen und mystischen Hintergrund dem Publikum fremd wären. Alle diese Probleme sind schon unzählige Male behandelt worden, man ging aber von klar umrissener Stellung an sie heran, die dargestellte Tragik war authentisch, rief Widerstand oder Begeisterung heivor, ließ niemanden gleichgültig, welcher geistigen oder religiösen Sphäre er auch entstammen mochte. Montherlant wollte scheinbar ganz bewußt., n i c h t Stellung nehmen, sondern, peinlich getreu den historischen Fakten, ja den in cen offiziellen Verhören niedergelegten Worten, ging er, ein wissenschaftlich interessierter, aber innerlich scheinbar unbeteiligter Kliniker, an diesen Komplex heran. Ein eleganter Schiedsrichter, der die Treffer und Ver-lustpurikte in durchwegs gewählter Sprache ansagt — selbst wenn die menschliche Leidenschaft, in diesem Fall ist sie weit eher Hoffarf. als wahre Liebe zu Gott und dem Nächsten —, in seltenen Augen-Wicken die höfische Außenschichte dieser asketischen Seelen durchbricht, die — wenn man von Soeur An-geliques tragischem inneren Zusammenbruch absieht — fast jedes Gefühl in sich ertötet haben. Der Zuschauer jedoch besitzt niemals diese spielerische Souveränität — er möchte Partei ergreifen in diesem Gewissensstreit. Der meisterhafteste Stil versöhnt nicht mit der Kälte des Historikers, noch mit der kühlen Gratuität des Denkers, die sich dahinter verbirgt, des ' klugen Spielers, der nicht Farbe bekennen will. Montherlant hat einmal gesagt: „Das .Heilige Experiment' von Hochwälder erscheint mir ein ebenso wertvolles Werk, wie Bernanos' .Begnadete Angst'. Ein furchtbares Stück, durch die Probleme, die es aufwirft; ich könnte mir kein dramatischeres Sujet vorstellen. Furchtbar aber auch, weil es mit unerhörter Kraft dartut, daß jeder recht hat.“ Montherlant hätte vielleicht besser daran getan, diesen Satz zum Leitmotiv seines Stückes zu wählen; es hätte dadurch gewiß erheblich an Wärme und Menschlichkeit gewonnen.

Die Aufführung durch das Burgtheater und die Leistungen der Schauspieler sind hervorragend' und Verdienen einhelliges Loh. Das Bühnenbild, nüchtern, kalt in seiner nackten Größe, verliert nach und nach von seinem „cartesianischen“.. ■Aspekt; weniger durch den allzu malerischen'Einzug der Soldaten und der Suite des Erzbischofs. als durch die innere Intensität, die endlich in den letzten . Szenen spürbar wird, wenn die menschlichen. Leidenschaften (Eifersucht und Haß der Schwester Elavie, mütterliche Zuneigung und töchterliche, Verehrung der Schwestern Angelique und Francoise) ungeschminkt zutage treten und die liturgischen Gebete der Gemeinschaft in dramatischem Gegensatz stehen zum Unmenschlichen und Unfruchtbaren der Prüfung, der sich die rebellischen Nonnen hartnäckig unterwerfen. Ilm nochmals auf die Darstellung zurückzukommen: sie ist durchwegs ausgezeichnet. Paula W e s s e 1 y s Name soll als erster und gesondert genannt werden. Wie wunderbar der Ausdruck der quälenden Gewissenskonflikte, der beinahe existentiellen Angstf Auch vor den Damen Adrienne G e s s n e r, Inge K o nr a i i und. Lieselotte Schreiner möchten wir uns ganz .besonders verbeugen. Sie schöpfen -Montherlants Werk wirklich bis aufs letzte aus und verstehen es meisterhaft, ,alles,., was es an berechneter Kälte, verborgener Leidenschaft, hellsichtiger Naivität und spontaner Aufrichtigkeit enthält, vollendet zu interpretieren. Herr Jäger stellt den temperament vollen, und gelegentlich etwas lächerlich wirkenden Erzbischof von Paris auf die Bühne — er folgt damit getreu den geschichtlichen Tatsachen und entledigt sich dieser heiklen Aufgabe mit viel Takt. Die Aufführung dauert zwei volle Stunden, ohne Pause: aber Inszenierung und Darstellung sind diese Anstrengung von Seiten des Publikums wert.

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