Th. Heuß: Schriftsteller und Wissenschaftler

Zum 70. Geburtstag des deutschen Bundespräsidenten ist außer einer hervorragenden Festschrift mit Beiträgen führender Männer des deutschen Geisteslebens und der Politik, auch ein Buch erschienen, das es unternimmt, den Schriftsteller und Gelehrten darzustellen. Wie sonst nur Masaryk es gewesen war, hat ja Theodor Heuß lange vor seiner Berufung zum höchsten Amt als einer der wirkensmächtigsten, wortbegnadetsten Künder und Wegbereiter des Wahren, Guten, Schönen und Klugen gegolten, der für sein Volk vor der Welt rühmliches Zeugnis ablegt. Dem „Präsident-Befreier“ hat man mit schnödem Undank gelohnt. Vom Standpunkt derer aus, die ihn heute schmähen, sehr zu Unrecht; doch sein

Werk konnte nicht Bestand haben, weil ts zwar aus subjektiv edler Gesinnung hervorging, allein den Bruch mit einer organischen Entwicklung bedeutete, deren Sinn und Urgrund der Schöpfer eines unnatürlich aufgeblähten Gebildes verkannte. Theodor Heuß dagegen ist die Verkörperung der besten deutschen Traditionen. An ihm ist alles Maß, Umsicht, Einsicht und er besitzt als höchste Tugend, daß er das schlimmste politische Laster der Deutschen nicht sein eigen nennt, die Gier nach jederlei Nibelungenschätzen, die den Unersättlichen zuletzt den ihn mitreißenden Fluten überantwortet, den Uebermut, die Ueberheblich- keit, das Uebermenschtum, das gefährlich rasch ins Untermenschliche abgleitet und dem keine Grenze heilig ist. Margret Boveri hat in vortrefflicher Klarheit diese Wesenszüge der literarischen Gestalt gezeichnet. Die Echtheit des Schriftstellers, beinahe sagten wir: des Dichters, und des Wissenschaftlers Theodor Heuß bewährt sich nun daran, daß der Politiker in allem dem in Wort und Schrift niedergelegten Bekenntnis des Autors entspricht. Nicht zuletzt ob dieser erfühlten Wahrhaftigkeit ist der Bundespräsident dem deutschen Volk nicht nur verehrungswürdig, sondern auch lieb und wert geworden. Ein Zweites ist dem als Gewinn aus diesem von feiner Frauenhand geschenkten Bildnis hinzuzufügen: es schildert uns den Stil und die Methoden des Historikers und Publizisten Heuß, als „de l’homme même“, als selbstverständliche Folgen der in einer starken Persönlichkeit beschlossenen Voraussetzungen. Zum Dritten: Interessenkreis, wie weit gespannt, und Gegenstände — oder sollen wir lieber setzen: Helden? — des Geschichtsschreibers werden logisch aus dem Wesen des Schreibenden abgeleitet. An den einen entzündet sich, wie bei Naumann und Robert Bosch, die Begeisterung, die ändern, vorab der Führer-Verführer, reizen auf zu Spott und Widerspruch.

Zwei große Monographien, neun Werke mittleren Umfangs und achtundzwanzig kleinere selbständige Schriften, zwischen 1906 und 1953 erschienen, achtundvierzig Einleitungen oder Beiträge zu Sammelwerken, 1523 Artikel in Zeitungen und Zeitschriften, aus den Gebieten der Politik, der Geschichte, der Wirtschaft, der Soziologie, der Geschichte der Wissenschaft, der Literatur, des Theaters, der Bildenden Kunst, dazu noch „Arbeiten besonderer Art“, und Gedichte, dazu noch 180 gedruckte Reden und Ansprachen, die irgendwie, vornehmlich durch den Rundfunk, aufbewahrt sind: das ist der Inhalt einer ausgezeichneten, sorgsamen Bibliographie, von der ihr Verfasser, Walter Prinzing, selbst aussagt, sie sei von Vollständigkeit weit entfernt. Man ermesse daraus die Universalität und den Reichtum des Geistes, die aus Theodor Heuß sprechen. Den Band beenden eine Bibliographie der Schriften von Elly Heuß-Knapp, der im Juli 1952 dahingeschiedenen hochgesinnten Gattin des deutschen Bundespräsidenten, und ein musterhaftes Register.