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Von Studenten und Eßkünstlern

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DER AKADEMISCHE ROMAN. Vorgestellt von Eberhard Werner Happel. Ehemals gedruckt und verlegt von Matth. W a g n e r, Ulm, 1690. Neu ediert 1962 vom Scherz-Verlag, Bern-Stuttgart-Wien. 304 Seiten. Preis 16.80 DM. — Des Antonius An thus VORLESUNGEN ÜBER ESSKUNST. Leipzig, 1838, bei Otto Wiegand. Neu ediert 1962 vom Scherz-Verlag, Bern-Stuttgart-Wien. 312 Seiten. Preis 16.80 DM.

Von den mit wenigen Ausnahmen kaum bekannten Autoren des Barock — erst in den letzten Jahren ist hier ein neu erwachendes Interesse festzustellen — ist Eberhard Werner Happel einer der unbekahn- testen; dem Herausgeber des „Akademischen Romans”, Günther E. Scholz, zufolge,

nicht unberechtigt. Bedenkt man jedoch die 6päte „Karriere” des Johannes Beer, wird man diesen immer wieder übernommenen Urteilen gegenüber, noch dazu über Bücher, die meist als verschollen gelten, vorsichtig sein müssen. Happel, noch in den letzten Wirren des 30jährigen Krieges geboren, Hesse wie Grimmelshausen, schrieb diesen Roman des studentischen Lebens als 43- jähriger. Er ist kein übermäßig originaler Schriftsteller. Viele der geschilderten Begebenheiten sind dem Erzählgut der Zeit entnommen, wie ja auch dieser ganze „Akademische Roman” eigentlich, ebenfalls dem Zeitgeschmack entsprechend. Reiseabenteuer behandelt, die einigen Herren Studiosi und solchen, die es noch werden wollen, von Padua und Mantua über den Bodensee zu einer deutschen Universitätsstadt widerfahren, ln diese abenteuerlichbunte, barock-derbe und in ebensolcher Sprache erzählte Handlung sind breitangelegte Reden und Disputationen eingebettet über „Akademien, Professoren, Rektoren, Fakultäten, über Schulpedanten und die akademischen Grade” und dergleichen mehr. Es entsteht ein bewegtes Bild der Zeit, ebenso unterhaltsam wie informativ.

Antonius Anthus hat, ganz im Gegensatz zu Brillat-Savarin, nie die Popularität, leider aber auch in viel zu geringem Maß die fachliche und literarische Anerkennung gefunden, die seinem berühmten französischen Mitstreiter für eine verfeinerte Eßkultur bis heute dargebracht werden. Das ist nicht recht verständlich, es 6ei denn, man wolle es einem Deutschen von vornherein absprechen, über dieses Thema etwas aussagen zu können. Abgesehen vom Thema selbst, darf Anthus auch die literarische Wertschätzung, deren sich Brillat- Savarin erfreut, für sich beanspruchen. Seine Sprache ist elegant, präzise, weniger selbstgefällig als die des Franzosen und humorvoller; seinem trockenen Witz hat der andere höchstens larmoyante Gefühle entgegenzusetzen. Anthus. mit seinem bürgerlichen Namen Gustav B. Blumröder geheißen, war ; gebürtiger Nürnberger und seines Zeichens Arzt mit dem Spezialgebiet Psychiatrie; auch er also, wie Brillat- Savarin, der hohe Richterämter bekleidete, schon beruflich ein Menschenkenner. Er dürfte übrigens die „Physiologie des Geschmacks”, die 1825 erschienen war, zur Zeit der Ausarbeitung seiner „Vorlesungen” nicht gekannt haben. Sie waren ursprünglich wirklich als Vorlesungen konzipiert und auch vor einem erlesenen Kreis von Gourmets vorgetragen worden und handelten über Fragen des Geschmacks und der Eßkultur. Ein Buch, das ein Künstler über eine Kunst höchst kunstvoll verfaßt hat.

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