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Der Mensch und die Gnade

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IGNATIUS VON LOYOLA, oder die größere Ehre Gottes. Von Rudolf Krämer-Badoni. Verlag J. P. Bachem, Köln, 1964. 268 Seiten. Leinen. Prel 17.80 DM.

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IGNATIUS VON LOYOLA, oder die größere Ehre Gottes. Von Rudolf Krämer-Badoni. Verlag J. P. Bachem, Köln, 1964. 268 Seiten. Leinen. Prel 17.80 DM.

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„Ich lese die Lebensläufe der Heiligen gern von hinten, im Glauben, es könnte vielleicht einer mit dei Zeit wieder ein Mensch werden“; so der Pole Stanislaus Lee. Mit der vorliegenden Heiligenbiographie hätte er sicher seine Freude, er könnte sie wo immer aufschlagen und würde einem Menschen begegnen. Es war sicher eine gute Idee, einen Laien und gewandten Schriftsteller ein Heiligenleben schreiben zu lassen, der Theologe lebt zu sehr in seinen Vorstellungen, ist nur zu oft im Umgang mit religiöser Literatur auf fromme Redeweisen festgelegt, daß er die Wirkung gar nicht mehr abschätzen kann. Dazu kommen nicht selten Unarten eines frommen Aberglaubens, der den Heiligen so sehr ins Jenseits entrückt, daß er unmenschlichwird. Hier jedoch haben wir einen Menschen vor uns, im Autor und im geschilderten Heiligen. So bleibt er immer mit den Füßen auf dem Boden der Wirklichkeit. Keineswegs werden dabei die übernatürlichen Gnaden ausgeklammert, doch Ignatius selbst stellt sie nicht in Rechnung, als ob man auf etwas, was einem gnadenweise geschenkt wird, ständig zählen könnte. Nicht nur das sehr menschliche Vorleben des Stifters der Jesuiten kommt dabei zur Sprache, sondern auch sein späterer Wahlspruch: alles von seiner Seite so zu tun, als ob alles davon allein abhinge. Die seitenlangen Zitate aus den Lebenserinnerungen des Heiligen zeigen ebenfalls den klug und menschlich denkenden Seelenkenner, dessen äußeres Leben so unscheinbar wirkte, daß man nicht recht wußte, was an ihm- eigentlich „heilig“ war.

Dabei verfehlt Krämer-Badoni keineswegs den religiösen Angelpunkt dieses Ordenstifters, von dem aus er nur verstanden werden kann. Schon der Untertitel zeigt das. Daß er sich in der schier ins Unermeßliche ausgeweiteten Fachliteratur zu den Exerzitien nicht so auskennen kann wie jemand, der sich ex offo damit beschäftigen muß, ist selbstverständlich. An den wesentlichen Punkten jedoch dürfte er kaum vorübergehen, wenn er sie auch sehr allgemein behandelt. Dankbar zu verzeichnen sind seine Hinweise auf den grundsätzlichen Unterschied zwischen einer psychoanalytischen Therapie und der Seelenheilung durch die Exerzitien. Das Eingangskapitel über „Heilige“ im allgemeinen wäre besser unterblieben, es gilt nur für wenige Heilige oder nur teilweise und könnte Mißverständnisse, die die Biographie selbst abbaut, überbewerten. Die persönliche Besinnung am Schluß jedoch ist ehrlich und wertvoll und wird ihre Wirkung hoffentlich nicht verfehlen: nicht äußerlicher Aufwand an Organisation und Restauration ist entscheidend, sondern das religiöse Engagement; das gilt auch für die Stiftung des Ignatius selbst, die, wie jede andere auch, notgedrungen Formen organisierter Bürokratie annimmt und daher Gefahr läuft, daß aus ihr „kein Fluidum ausgeht, das einer ganzen Welt den Atem verschlägt“. Gerade im Gegenzug zu einer aufgeklärten, von des Gedankens Blässe angekränkelten intellektuellen Welt wäre eine „das Leben einsetzende ... tiefe, leidenschaftliche und religiöse Ergriffenheit“ nötiger als organisierende, wissenschaftlich versierte, politisch fortschrittliche Aktivität (die heute auch den Raum des Gottesdienstes überwuchert).

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