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Manchmal ist es doch gut, wenn man das Gras wachsen hört! Als der Verfasser dieser Zeilen vor einigen Jahren einmal im Gespräch mit einem Freund seine Besorgnis über die drohenden Mißverständnisse und Meinungsverschiedenheiten unter österreichischen Patrioten aussprach, wurde er nicht ganz verstanden. Nach einigen Vorkommnissen in den letzten Wochen aber wurde wohl deutlich, was seinerzeit gemeint war. Heute besteht schon ziemlich sichtbar die Gefahr, daß Österreicher, die durch Jahrzehnte miteinander marschiert sind, die viele Gefechte Schulter an Schulter geschlagen, sich nicht mehr verstehen, ja, so sehr sie sich auch dagegen innerlich wehren, eines Tages in eine Frontstellung gegeneinander zu geraten drohen. Wir sprechen von den schon sehr konträren Auffassungen, die anläßlich des Besuches Dr. Otto Habsburgs in Osttirol von Österreichern, deren Patriotismus schwarzgelbe Wurzeln hat, und jenen, die unter rotweißroten Vorzeichen angetreten sind und die sich nur der Republik Österreich — einer Republik, die freilich ihre Vergangenheit nicht verleugnen soll — und sonst niemandem verpflichtet fühlen, geäußert wurden.

Es ist unbestritten, daß jenen Landsleuten, die sich bis vor kurzem öffentlich als Monarchisten vorstellten, in den staatspolitisch so dürren Jahren zwischen 1918 und 1938 große Verdienste zukommen, die österreichische Idee in die von dem Deutschnationalismus verschiedenster Spielarten infizierte Atmosphäre der Ersten Republik hinübergerettet zu haben. Vergessen wir nicht, daß aus jenem Lager die damals „zornigen jungen Männer“ der „Österreichischen Aktion“ (E. K. Winter u. a.) kamen, die wagten, von der österreichischen Nation zu sprechen und Gedanken die für die Zweite österreichische Republik Richtschnur werden sollten, visionär durchdachten.

Nach 1945 erlebten wir eine erfreuliche Ausfaltung eines „aufgeklärten Patriotismus“. Ihm möglichst weit nach rechts und links den Weg zu bereiten, gehört zu den vornehmsten Aufgaben dieses Blattes.

Auf dieser Basis konnte allein mit Erfolg darangegangen werden, schwere Hypotheken der Vergangenheit — denken wir nur an die heiß umstrittene Konkordatsfrage oder überhaupt an das Verhältnis von Kirche und Parteipolitik — aufzuarbeiten. Erst die „Habsburgerfrage“ schaffte — und warum die Augen verschließen — ernste Sprünge in diesem neuen österreichischen Selbstverständnis. Waren viele Österreicher nicht bereit, einen bereits sprichwörtlich gewordenen „Habsburger-Kannibalismus“ mitzumachen, so gefällt ihnen ebensowenig „die Begleitmusik“ der Heimkehr des Kaisersohnes.

Das wieder wird von den Freunden des Kaisersohnes nicht verstanden. Und hier ist die Sprachverwirrung unter österreichischen Patrioten schon weit fortgeschritten. Mit einer Berufung auf das „Volk“ gegen die „Apparate“ ist es nicht getan. Vielmehr scheint es dem Verfasser angezeigt, daß von allen Menschen, die dieses Land lieben und die aus dem neuen österreichischen Selbstverständnis, für das sie selbst große Opfer gebracht haben, nicht austreten wollen, alles geschehe beziehungsweise unterlassen werde, was abgeklungene Emotionen neu auslösen könnte: was bewußt oder unbewußt Habsburg und die Republik zu trennen imstande wäre. Zugleich erscheint es Zeit, ein freimütiges offenes Gespräch unter österreichischen Patrioten, frei von Mentalreservationen zu beginnen. Zu diesem sei hiemit eingeladen.

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