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Gibt es ein Herauskommen aus diesem Dilemma?
Ich glaube, es gibt- ein solches bei einigem gutem . Willen; und wo ein Wille, dort ist auch ein Weg.
Es mag und es wird allüberall Aus- nahmsfälle geben, auf die man das Gesetz der Altersgrenze aus individuellen Gründen, weil es sich um besonders hochverdiente und hervorragende Persönlichkeiten handelt, nicht allzu wörtlich anwenden wird. Von solchen „Singles" aber abgesehen, wird sich wohl nicht vermeiden lassen, daß systemisierte und vor allem mit einem Gehalt verbundene Stellungen und Arbeitsplätze nach Erreichung eines bestimmten Grenzalters von den Alten geräumt und von den
Jüngeren besetzt werden. Aber für die Alten, sofern in ihnen noch wertvolle Potentiale vorhanden sind, gibt es dann noch reichlich Möglichkeiten und Gelegenheiten, sie zu nützen, im Sinne der eigenen leiblichen und seelischen Wohlfahrt, aber auch zu Nutz und Frommen der Gesellschaft. In Werkstatt und Industrie, allüberall an den Stätten vor allem manueller Arbeit können die Alten als Anlerner oft wertvollste Dienste leisten, sei es, daß sie es ehrenhalber tun wollen, sei es, daß man sie dafür entsprechend entlohnen mag, ein Lohn, der wahrlich reichlich lohnen würde. Der geistige Arbeiter, nicht bloß der durch Jahresringe unbehinderte Freiberufler, mag es in manchem leichter haben, er wird sich vielfach selbst eine Beschäftigung finden, die, sei es auch keine solche in der gewohnten Werkstatt seines Schaffens, Geist und Körper rege erhält; nicht wenige unter uns haben in den Jahren der Hitlerherrschaft notgedrungen sich selbst solche Medizin verordnet und sind dabei nicht schlecht gefahren. Nur, auch da wird gar manchmal der notgedrungene Verzicht auf das Regelmaß öffentlicher oder sonstwie unmittelbar zweckstrebender Tätigkeit hart empfunden. Und doch gäbe es auch für solche Fälle ein Elixier: man bedenke, daß es, vielfach im Gefüge oder ä la suite unserer Behörden, beratende Körperschaften gibt, deren Funktionäre rein ehrenamtlich arbeiten, dabei jedoch der Öffentlichkeit unschätzbarste Dienste leisten. Hier wäre reichlich für die Entpflichteten Platz, um in fruchtbarer konsultativer Tätigkeit weiterzuwirken; nicht als reine Ge- rousia, wohl aber, sie ergänzend, neben jüngeren Kräften, gewappnet mit der Weisheit des Alters. Im medizinischen Sektor etwa braucht hier nur an den Obersten Sanitätsrat oder an die Landessanitätsräte erinnert zu werden; ähnliche Institutionen gibt es ja auch in anderen Sparten oder es könnten solche mit Vorteil ins Leben gerufen werden. Für reine Wissenschafter könnten Arbeitsplätze jener Art, wie sie in Deutschland geschaffen worden sind und selbst die apokalyptischen Jahre überdauert haben, etwa im Anschluß an bestehende Hochschulinstitute ohne viel Kosten aktiviert werden (nur müßte natürlich diesen Gelehrten eine absolut freie und unabhängige Stellung gewährleistet sein). Als Examinatoren etwa bei Prüfungen außerhalb des Rahmens der bisher amtlich oder akademisch obligaten wären solche in Weisheit ergraute Männer und Frauen reichlich am Platze. Viele unter ihnen könnten im Rahmen volksbildnerischer Arbeit als Berater in fürsorgerischen Belangen im Rahmen der Berufsvormundschaften und anderes mehr wertvolle Dienste leisten. Ein gleiches gilt schließlich vom Amte der Geschworenen und der Schöffen; gerade auf diesem Gebiet wären körperlich und seelisch rüstige, erfahrene und durch die Weisheit des Alters geläuterte Personen beiderlei Geschlechtes am denkbar richtigsten Ort, und gar manche Geschworenenbank würde vielleicht weniger folgenschwere Fehlurteile fällen, säßen auf ihr neben Vertretern jüngerer Jahrgänge auch solche, die auf ein an Arbeit und Erfahrung reiches Leben zurückblicken können, ohne darum der Verknöcherung anheimgefallen zu sein.
Im Rahmen eines kurzen Aufsatzes lassen sich nicht alle Einzelheiten und Möglichkeiten ausschöpfen. Darum wird es wohl nicht schwerfallen, diese Vorschläge noch zu ergänzen. Sie sollten ja auch nur ein Auftakt und ein Hinweis sein. Aber eines möchte ich am Schlüsse nicht zu sagen verabsäumen: .man sollte .alte Menschen, die sich dies noch zutrauen können, ermuntern,, ihre Lebensgeschichten niederzuschreiben und sie bei irgendeiner sichtenden Zentralstelle zu hinterlegen; diese kritisch sichtende Zentrale könnte wiederum gerade von den Alten rein ehrenamtlich verwaltet werden. Aus solchen Biographien, auch wenn sie natür-
lieh nicht als Einzelwerke im Druck erscheinen können, ob es sich nun um die Leberisgeschichte von Prominenten handelt oder von schlichten Handarbeitern, ließe sich viel bisher unverwertetes Material zur Zeitgeschichte und Kulturforschung gewinnen, der Wissenschaft, aber auch der Allgemeinheit zum Nutzen; und zum Nutzen aller derer, die als Arbeitende an diesem Bau werken würden.
Und daß altemeritierte Psychologen und l^zte von international anerkanntem hohem Rang schließlich als Begutachter der Prominenten unschätzbare Dienste zu leisten Vermöchten, habe ich schon vor mehr als dreißig Jahren ausgesprochen; der Gedanke lebt in den englischsprechenden Ländern sein Eigenleben weiter und hat da und dort bereits konkretere Zuspitzungen erfahren. Seine Verwirklichung bedeutete nicht den letzten Dienst, den gerade die Alten der Menschheit zu leisten vermöchten.
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