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Licht auf verschollene Kulturen

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Charlott etwas verrückt... Finden Sie, daß Jacqueline sich richtig verhält? ... Und ewig singen die Wälder ... Denn sie entzündeten das Licht; wir gestehen, solche Buchtitel läppisch zu finden. Warum nicht einfach den Untertitel über das Buch schreiben? Geschichte der Etrusker —i das ist es, was hier zu finden ist. Und das ist. ein hochwichtiges Thema.

Der Verfasser ist ein Bestsellerautor. Das ist keine Sünd, es beweist vielmehr, daß er über interessante Dinge verständlich zu schreiben weiß; und das tut er denn auch hier. Er bringt eine Menge wichtigen Materials, und dabei sind auch schon schöne, lehrreiche Illustrationen. Er wird es durchaus verdient haben, wenn sein Buch auch diesmal ein Erfolg wird. Immerhin ärgert den Rezensenten dies und jenes. Der Autor ereifert sich darüber, daß der Geschichtsunterricht noch immer das seit 2000 Jahren althergebrachte Datum des Geburtstags der Stadt lehrt, und daß noch immer die traditionellen Namen der sieben Könige von Rom gelehrt werden. Die von ihm selbst brillant erzählte Tatsache, daß Ser-vius Tullius durch etruskische Funde als historisch belegt ist, hätte ihn lehren sollen, daß solche traditionelle Königsreihen oft mehr Vertrauen verdienen, als der skeptische Forscher zunächst meint: aber er will sich halt als unerschrockener, respektloser Mordskerl erweisen, der vor ehrwürdigen Traditionen nicht zurückscheut Dazu gehört auch, daß er Livius in einem brüsken Nachkriegsdeutsch übersetzt, welches ausgerechnet zu diesem Autor paßt wie das Vorhemd zur Sau. Den Untertitel des Buches verstehen wir nicht recht. Die Lösung eines

Rätsels wäre dann vorhanden, wenn der Autor über einen wesentlichen Fortschritt im Lesen des Etruski-schen zu berichten wüßte. Gerade das tut er nicht. Er sammelt in höchst löblicher Art das verschiedenste Material zur Geschichte der Etrusker und gibt dem Leser ein umfassendes Bild vom Leben, dem geschichtlichen Wirken und kulturellen Einfluß dieses Volks; aber das kann man kaum als Lösung eines Rätsels bezeichnen. Was die Sprache betrifft, bleibt er dagegen hinter dem gegenwärtigen Stand eher vorsichtig zurück — was ja gewiß besser ist als die warnenden Beispiele früherer frisch-fröhlicher Hypothesen.

Doch das sind Nuancen und Kleinigkeiten. Wo wir gar nicht mitkönnen, das ist die von Keller immer wieder hervorgehobene Behauptung, die alten Römer hätten die Bedeutung der Etrusker vergessen, verschwiegen, ja absichtlich verhüllt. Diesen Eindruck wird doch wohl kein Leser der römischen Literatur haben! Ganz im Gegenteil, die römischen Autoren bekunden immer wieder eine fromme Scheu vor den etruskischen Altvordern und Lehrmeistern. Als man die etruskischen Altertümer ausgrub, war das in keiner Weise mit dem Vorgang vergleichbar, als in Vorderasien die Schaufeln der Archäologen Völker ans Licht der Geschichte brachten, von denen man nur dunkle Anspielungen in der Bibel oder bei Herodot den Schatten einer Ahnung haben mochte; das leidenschaftliche, oftmals dilettantische Interesse an den etruskischen Ausgrabungen kam ja vielmehr davon, daß gerade die römischen Autoren hier ehrwürdige Mysterien erwarten ließen.

Gewiß, die römischen Feldherren haben die Etrusker behandelt, wie Heiden eben Feinde behandelten und wie Neuheiden Feinde behandeln, nachdem die ritterliche Kriegsführung, infolge der Ausschaltung christlicher Grundsätze aus der großen Politik, aufgehört hat. (Sublata causa tollitur effectus.) Gewiß, die etruskische Geschichte des Kaisers Claudius ist verlorengegangen, wie so viele Schriften, die für uns unschätzbar wären, die aber den Rowohlts der Spätantike, den Verlegern von Klassikerausgaben und Stilblütensammlungen, nicht gefragt erschienen, heute verloren sind. Heute — denn wer weiß, was in den restlichen Ausgrabungen um Pompeji noch drinsteckt! Aber das hindert nicht, daß kaum je ein Volk seinen Erben so imponiert hat, wie die Etrusker den Römern, und da können wir die Ausdrucksweise Kellers nicht billigen. Was wieder nicht hindert, daß wir sein Buch in unsere Bibliothek mit großer Freude einreihen.

DENN SIE ENTZÜNDETEN DAS LICHT, Geschichte der Etrusker — die Lösung eines Rätsels. Von Werner Keller. Droemer-Knaur 1970. 416 S. Strichzeichnungen von Erich Diller. DM 24.—.

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