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Ex Ovo. Von Peter B a mm. Essays über die Medizin. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart. 263 Seiten. Peis 12.60 DM.

Es gibt so wenig geistreiche Bücher. Darum liest man mit steigend guter Laune das Buch von Bamm, das einen viel zu bescheidenen Titel trägt. Mit dem Humor eines Menschen, der seine Sache versteht, sie liebt und trotzdem weder sich selbst noch sein Anliegen überschätzt, berichtet Bamm über Medizin, Physik, Chemie, über die Naturwissenschaft überhaupt — aber so, daß wir Dummen, die nie etwas von Naturwissenschaft verstanden haben, plötzlich wie Mitverschworene zu lächeln beginnen. Die Hohepriester der Natur sind eigentlich viel demütiger als die anderen Wissenschaftler —, sie entpuppen sich als Menschen und Forscher, die sich elendredlich abmühen, hinter die Geheimnisse der Natur zu kommen, und stets sich bewußt sind, Vorläufiges geleistet zu haben. Dabei wird aus dem brillant geschriebenen Buche dem Leser die eigenartige, andersartige, die neue, die moderne Art des Denkens praktisch vorgeführt. Die neue Denkform, die dem Theologen wie dem Historiker verschlossen ist, erweist sich als erlernbar — ja sie fordert dazu heraus, sich dieses Denkstiles auch für die eigenen Wissenschaften anzunehmen, wenn wir nicht in reaktionäre Altersheime verdrängt werden wollen. Das Kapitel „Der Adam der Wissenschaft“ ist jedem Theologen, Philosophen, Geisteswissenschaftler, aber auch jedem „Medizinmann“ (Pardon!) zu empfehlen: eine bessere Kritik der Naturwissenschaft aus sich selbst und über sich selbst gibt es nicht —, und der „Geistesmann“ sieht plötzlich, wie er bereits an einem humanistischen Homunculus arbeitet, der keine ausreichende Beziehungsskala hat. — Peter Bamm, diesem Weisen, glaubt man die Sorge, die er in Spott hüllt, und den Spott, dem er ein ernstes Antlitz gibt. Man glaubt ihm bis auf den letzten Satz und möchte diesen an den Anfang und über das Buch geschrieben wissen: „Niemals hat es eines Engels nötiger bedurft.“

Der Irrtum des Narziß. Von Louis Lavelle. Mit einer Einführung von Leo Gabriel. Uebersetzt von Hanns von Winter. Herold-Verlag, Wien. 221 Seiten. Preis 98 S.

Früher nannte man Frankreichs Beitrag zur Geschichte der Philosophie den „Moralismus", heute bevorzugen die französischen Philosophen dafür den Ausdruck „Spiritualismus"- konkretes Denken über das Konkrete, personales Denken über die Person und Persönlichkeit — beides im Dienste der Menschenkunde und Persönlichkeitserziehung. Lavelle steht in einer alten und neuen, in der französischen, gleichgerichteten Tradition. — Im vorliegenden Buche zeigt Lavelle den Zeitgenossen, daß sie „Narziß“ sind und damit in einem Irrtum leben. In sich selbst verliebt, sich selbst vor allem und jedem verschließend, verfällt Narziß sich selbst: das eigene Bild, das eigene Echo und damit der eigene Untergang — aus diesem Dreieck kommt der Mensch nicht heraus In kurzen, geistvollen, leise-ehrfürchtigen Kapiteln versucht Lavelle dieses Gefängnis behutsam zu öffnen. Wer sich im besinnlichen Denken üben will, wird es bei Lavelle’erlernen — wer im besinnlichen Denken geübt ist. wird den Eigensinn des selbsteigenen Narziß deutlicher schauen und in den dargebotenen übersinnlichen Gedanken über die Gefangenschaft hinauswachsen.

Diego Hanns Goetz OP.

Das Glück der Erde... Von Edwin Erich Dwinger. Pilgram-Verlag, München-Salzburg. 210 Seiten. Preis 64.80 S.

Dieses „Reiterbrevier für Pferdefreunde“, wie sein Untertitel lautet, ist ein Lehrbuch eigener und besonders reizvoller Art. Es bringt im Ton und in der Sprache eines anregenden Erzählers, aber doch mit aller gebotenen Sachlichkeit, die grundlegende

Theorie der Reitkunst. Und mehr noch und wichtigeres als das: es zeigt, verständlich für jeden, der sich in unseremaZeitalter der seelenlosen Mechanik noch irgendeinen Kontakt mit dem nichtmotorisierten Prototyp der „Pferdekraft“ bewahrt hat, wie reichlich das edle Pferd den Reiter belohnt, der die Begabung und zugleich den guten Willen besitzt, es wirklich kennenzulernen, es richtig zu behandeln und sein Vertrauen zu gewinnen. Dwinger, ein anerkannter Meister der lebendigen Schilderung, ist der Liebe zum Pferd, die er schon in seiner frühesten Kindheit entdeckte, zeitlebens treugeblieben, und diese Liebe, im Verein mit seinen langjährigen Erfahrungen im Sattel, hat ihm die Feder geführt zu einem Buch, welches jedem wärmstens zu empfehlen ist, der ein Reiter werden möchte oder schon glaubt, einer zu sein, weil er bereits einen Ausritt absolvieren konnte, ohne die Bügel zu verlieren. Aber auch der alte Kavallerist, für den das Kommando „Aufsitzen!" zum letztenmal schon vor langen Jahren verhallt ist, wird dieses „Reiterbrevier“ mit Vergnügen lesen und sich bei der Lektüre der schönen und nun so fernen Zeiten erinnern, da das Zureiten ungebärdiger ungarischer Remonten zu seiner täglichen „Nachmittagsbeschäftigung" gehörte. — Nur eine Randbemerkung scheint dem Rezensenten angebracht: die letzte große Kavallerieattacke im ersten Weltkrieg — es war wohl die letzte für immer —, wurde' nicht von den Deutschen geritten, sondern von der k. u. k. 4. Kavallerietruppendivision unter Generalmajor Zaremba, am denkwürdigen Tag von Jaroslawice.

Kurt Strachwitz

Vorgeschichtliche Religion. Religionen im steinzeitlichen Europa. Von Johannes M a r i n g e r. Ben- ziger-Verlag, Einsiedeln. 328 Seiten mit zahlreichen Photos und Skizzen. Preis 132 S.

Der Blick der Urgeschichtler dringt immer weiter ins Dunkel der Vorzeit vor. Das Interesse an Ausgrabungen und Urzeitforschung ist heute stärker denn je. Die holländische Erstausgabe mit dem Titel „De Godsdienst der Praehistorie“ hat derart günstige Aufnahme gefunden, daß der zur Zeit in Japan beschäftigte Autor sich zu einer überarbeiteten deutschen Ausgabe entschloß, die des gleichen Erfolges sicher sein kann. Maringer kommt aus der Schule Obermaier und Schmidt. Er versucht eine große religiöse Synthese der europäischen Steinzeit. Nach einem Ueberblick über die Entdeckung der vorgeschichtlichen Welt geht er auf die drei großen Abschnitte Alt-, Mittel- und Jungsteinzeit ein, untersucht das Lebensbild der Urmenschheit, die Stellung des Urmenschen zu seinen Toten, den Kult und die Opferbräuche der Jäger und Bauern. Es ist unmöglich, den reichen Inhalt des Buches in einer Besprechung wiederzugeben. Wenn auch die religiösen Ueberreste der Steinzeit sehr spärlich sind, so bestätigen sie doch die alte These Herodots, des Vaters der Ge Schichtsschreibung: „Ein gottlos Volk gibt es nicht." Für die Religionsgeschichte dürfte Maringers Arbeit lange Zeit richtunggebend bleiben.

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