6689557-1962_32_04.jpg
Digital In Arbeit

Verwaltungsreform ohne Anfang

Werbung
Werbung
Werbung

Gewiß, man schämt sich schon, das Wort „Verwaltungsreform“ niederzuschreiben. Die Tat, welche der Autor dennoch begeht, sei ihm aber deshalb verziehen, weil manche Probleme, auch wenn sie totgeredet werden, bestehen bleiben und sich obstinat weigern, durch Zeitablauf unaktuell zu werden.

Will man kurz den Sachverhalt rekapitulieren, dann kann man sich entsinnen, daß das Wort „Verwaltungsreform“ — wobei jetzt die Zeit vor 1941 übergangen werden soll — schon an der Wiege der Zweiten Republik stand und mit zyklischer Kontinuität immer wieder zu hören ist.

Neuerdings hat das Problem aus ebenso zahlreichen wie drängenden Gründen wieder Aktualität gewonnen. Unter anderem belastet die Verwaltung das ständig überforderte Budget wesentlich. Es grassiert daher der Gedanke, man könnte durch Reorganisation Budgetmittel ersparen. Diese wohlmeinende Absicht wird jedoch angesichts der kürzlich aufgestellten Beamtenforderungen geradezu ein Imperativ. Zu konkreten Maßnahmen hat diese Intention eigentlich nur in beschränktem Maß geführt. Wohl hat der Ministerrat schon vor geraumer Zeit ..Einsparungen“ beschlossen. Allein es ist fraglich, ob diese den gewünschten Effekt erreichen werden.

Denn rationalisieren heißt nicht, einem gegebenen Apparat weniger Geld zur Verfügung zu stellen. Das führt dann lediglich zu Gewissenskonflikten der Minister, welche lebenswichtige Maßnahme sie zugunsten einer anderen unterlassen sollen. Es entsteht bestenfalls jene erheiternde Jagd der „Ersparungskommissäre“ nach überzähligen Bleistiften, die am Jahresende hundert Schilling einbringt.

Nun kann man aber an der Tatsache schwer vorbeigehen, daß die öffentliche Verwaltung tatsächlich Unsummen verschlingt. Das hat mit dem „Parkinsonschen Gesetz“, welches für das satirische Vokabular jedes Boulevardjournalisten unentbehrlich und im übrigen ein fröhlicher Unsinn' ist, nkhts zu tun. Das läßt sich aber auch nicht durch das sehr richtige Gesetz über die wachsenden Staatsausgaben rechtfertigen, wenn es für dessen Wirksamkeit auf den Ausgangspunkt ankommt. Denn es macht einen großen Unterschied, ob eine sparsame Verwaltung oder eine aufgeblähte Maschinerie zwangsläufig wächst.

Um nur einige Punkte des Problems herauszugreifen: Da ist einmal die Maria-Theresianische Kanzleiordnung. Sie bringt es beispielsweise mit sich, daß in der öffentlichen Verwaltung, im Gegensatz zur privaten, Briefe nicht mit Durchschlag geschrieben werden, wobei man das Original abschickt und den Durchschlag ablegt, sondern jede wenige Zeilen umfassende Kleinigkeit auf einem Bogen aus Kunstdruckpapier im „Konzept“ entworfen wird, dann approbiert und hieraus erst neuerlich reingeschrieben. Allein aus diesem ein-J zigen Moment ergibt sich, daß doppelt soviel Papier verbraucht wird wie in einer Verwaltung. Überdies noch teureres, weil man für jede Kleinigkeit einen Kunstdruckbogen verwendet. Außerdem müssen doppelt soviel Schreibarbeiten geleistet werden. Aber auch die Sachbearbeiter sind zweifach belastet. Denn zunächst muß der erste die Erledigung im Konzept vorbereiten, worauf der Vorgesetzte sie zu kontrollieren und zu unterschreiben hat. Die naheliegende Lösung, einen Sachbearbeiter seinen Brief selbst unterschreiben zu lassen, weil er ja wohl nach mehrjähriger Ausbildung soweit sein müßte, seine Agenden ohne Kontrolle zu erfüllen, oder ihn, wenn er unfähig ist. zu kündigen, wurde noch nie diskutiert.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung