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Zweites europäisches Pressetreffen

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500 Journalisten hatte die „Union Europeenne des federaiistes“ in der vergangenen Woche nach Venedig geladen. Und es waren auch annähernd so viele, die diesem Ruf zu einem 2. Europäischen Pressetreffen mit Freude und voll Interesse folgten. Dicht gefüllt waren die Bänke, auf denen die Redakteure aus den sechs Staaten „Kern-Europas“ Platz nahmen: Franzosen neben Deutschen, Italiener dicht bei jenen, deren Redaktionsstuben in Holland, Belgien und Luxemburg sich befinden. Die „splendid' isolation'V die sich die englische Presse in europäischen Fragen auch heute noch gerne auferlegt, war durchbrochen, und Vertreter österreichischer Blätter konnten, freundlich akklamiert, ihren Dank für die erste Einladung zu einem Treffen der europäischen Föderalisten sagen.

Das Europäische Pressetreffen von Venedig war als ein Informationskongreß geplant — und diese Aufgabe hat es vorzüglich erfüllt. „Montan-Union“, „EVG“, „Europäische politische Gemeinschaft“: sind das nicht oft nur politische Schlagwofte, die von den einzelnen gedankenlos nachgeredet, von den anderen nicht viel stärker überdacht ,mit kühler Zurückhaltung aufgenommen werden? Gemeinsam ist beiden, Freunden und Skeptikern des europäischen Gedankens, vielfach das Nichtwissen um die genaue Strecke des Weges, die auf das große Ziel hin bereits zurückgelegt ist und ein mangelndes Verständnis für die nationalen und emotionalen Hindernisse, die erst, wenn sie klar erkannt sind, auch überwunden oder umgangen werden können. Und um diese Aufklärung bemühten sich maßgebende Persönlichkeiten des europäischen politischen und wirtschaftlichen Lebens, nachdem die Bedeutung des Kongresses für den katholischen Journalisten durch die Anwesenheit des Patriarchen von Venedig, Kardinal R o n c a 111, bei der Eröffnung unterstrichen worden war. Nüchtern und sachlich zeichnete der Präsident des Verfassungsausschusses, Heinrich von Brentano, eine Skizze der „Europäischen politischen Gemeinschaft“. Die Männer der Volkswirtschaft, der Statistiken und der Zahlen ergriffen nach ihm das Wort. Sie bemühten sich, die Arbeit der Hohen Behörde in Luxemburg zu verdolmetschen. Dann war die Reihe an den Journalisten selbst. In einem Gespräch um den runden Tisch hielten sie einander — und sich selbst — den Spiegel vor. „Nationalistische Uebertreibun-gen, Vorurteile und vorgefaßte Meinungen in der Presse unserer Länder“ war das Thema. Hier, wie auch an anderer Stelle, war es Vertretern der österreichischen Presse möglich, ihre Visitenkarte abzugeben. Nicht zuletzt warben sie für stärkeres Verständnis für jene Völker, mit denen Oesterreich eine vielhundertjährige Geschichte verbindet und die jetzt ihrer freien Stimme beraubt sind. Der spontane Dank des anwesenden ehemaligen rumänischen Außenministers Grigore Gafencu zeigte, daß der richtige Ton angeschlagen worden war. Abschluß und Höhepunkt der Tage von Venedig war ohne Zweifel das ebenso gescheite wie brillant vorgetragene Bekenntnis des Präsidenten des MRP, Pierre-Henri Teitgen, zu der „Europäischen Verteidigungsgemeinschaft“, das in einen Diskurs mit dem Vertreter von „Le Monde“ überging und stellenweise ciceronisches Format erreichte. Solche überlegene“ Meister der Sprache und des Dialogs erfüllen erst eine Demokratie mit warmem, pulsierendem Leben ...

500 Journalisten haben für kurze Zeit ihre Redaktionen verlassen, um Informationen und Anregungen für ihre weitere Arbeit zu empfangen. Nach einer rasch angestellten Rechnung sprechen sie täglich oder wöchentlich zu 80 bis 100 Millionen europäischer Leser. Zu diesen mehr als bisher in europäischer Sprache, statt allein in der Sprache ihrer Nationen und Vaterländer zu reden, dazu sollte Venedig eine Ermunterung sein. Und — wenn nicht die Zeichen trügen — eswar sie. —

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