
Die Kunst des Verlierens
Die jüngste kulturelle Entwicklung ist geprägt durch ein Optimierungsdenken und einen Kult des Positiven, in dem die Erfahrung des Verlustes und des Verlierens immer negativer wahrgenommen wird: Vielleicht eine gute Zeit, wieder einmal an eine Kultur des Scheiterns zu erinnern.
Die jüngste kulturelle Entwicklung ist geprägt durch ein Optimierungsdenken und einen Kult des Positiven, in dem die Erfahrung des Verlustes und des Verlierens immer negativer wahrgenommen wird: Vielleicht eine gute Zeit, wieder einmal an eine Kultur des Scheiterns zu erinnern.
Mein wichtigstes Ziel als Universitätslehrer und Forscher war und ist es, ein guter Mentor zu sein. Dafür ist es zunächst wesentlich, in der Masse der Studierenden und der sich um eine Stelle bewerbenden Postdocs die begabtesten und enthusiastischsten zu identifizieren, sie für die Wissenschaft zu begeistern und ihre Talente uneigennützig zu fördern. Ein essenzieller Pfeiler des dafür nötigen Erfolgsrezepts war und ist es immer, alle Mitarbeiter die „Kunst des richtigen Gewinnens und Verlierens“ zu lehren.
Zu diesem Zweck zitiere ich immer das Motto meines Sportlehrers im College, eines Schotten namens Gordon Spencer, der uns beigebracht hat „to win without grimaces and to lose without a wry face“, also „zu gewinnen, ohne Grimassen zu schneiden, und zu verlieren ohne ein enttäuschtes Gesicht“. Dieses Prinzip erscheint angesichts der heutigen Gebräuche, wo sich Fußballer nach dem Erzielen eines Tors das Trikot vom Leib reißen und Skifahrer nach gewonnener Abfahrt die Faust ballen, völlig irrational und weltfremd – ganz zu schweigen von den Ausreden und dem Gesichtsdruck der Verlierer, sei es im Sport oder in der Politik.
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