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Digital In Arbeit

Arbeit ist Gottesdienst

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Ungleich ähnlichen Enzykliken aus der Vorkriegszeit merkt man es diesem Rundschreiben von Papst Johannes Paul II. „über die menschliche Arbeit" sofort an: Hier wird nicht von oben dekretiert, denn hier schreibt einer, der selbst jahrelang ,4m Schweiße seines Angesichts" sein Brot verdient hat. Aus eigener Erfahrung

betont ein früherer Arbeiter „die Würde der Arbeit" durch die „der Mensch sich selbst als Mensch verwirklicht," denn „er formt nicht nur die Dinge und die Gesellschaft um, sondern er vollendet auch sich selbst".

Wie in seinen zwei ersten Rundschreiben wird auch hier der Primat des Menschen vpr allen anderen Werten hervorgehoben, wie auch der Primat der Arbeit vor dem Leistungszwang und dem Kapital.

Hier kann auch der Jude dem Papst ohne Abstriche beipflichten, wenn er sagt, daß schon das Schöpfungswerk auf der ersten Bibelseite in Form einer „Arbeit" dargestellt wird, die Gott im Verlauf von „sechs Tagen" verrichtet, um am „siebenten Tag" zu ruhen.

Diese Beschreibung der Weltentstehung, die der Papst „das erste Evangelium der Arbeit" nennt, lehrt uns auch, daß der Mensch durch seine Mitarbeit am fortschreitenden Schöpfungswerk Gott nachahmen soll, da ja nur er allein mit dem Privileg der schöpferischen Ebenbildlichkeit ausgestattet ist.

Wenn Jesus als Zimmermann und Paulus als Zeltmacher bekannt waren, so entspricht dies der rabbinischen Tradition, der gemäß die Schriftgelehrten meistens Schuhmacher, Winzer, Landwirte oder Arbeiter waren -nach der alten jüdischen Lebensregel: „Groß ist das Handwerk, denn es ehrt seine Meister." (Ned 49b)

Es scheint wohl mehr als Zufall zu sein, daß das hebräische Wort für,Arbeit" identisch ist mit dem Begriff des „Gottesdienstes". Denn wie könnte man Gott besser dienen, als durch einen tatkräftigen Beitrag zur Verbesserung Seiner Welt?

Wenn der Papst schreibt, „die Kirche schöpft bereits aus den ersten Seiten des Buches Genesis die Uberzeugung, daß die Arbeit eine fundamentale Dimension menschlicher Existenz auf Erden" sei, so ziehen die Rabbinen aus dieser Bibelwahrheit etliche Schlußfolgerungen, die mit dem Tenor der jüngsten Enzyklika in vollem Einklang stehen:

• „Liebe die Arbeit, haße das Herrschen, und tu dich nicht vertraulich mit der Obrigkeit!" (Ab-ot 1,10)

• „Wer seinen Sohn nicht ein Handwerk erlernen läßt, der ist, als ob er ihn Räuberei lehrte." (Kid 29a Bar)

• Das biblische Sabbatgebot beginnt mit den Worten: „Sechs Tage lang sollst du arbeiten und all dein Werk tun!" (Ex 20,8-11) -woraus die Rabbinen folgern, daß ein Faulpelz und ein Müßiggänger der Sabbatverpflichtung nicht nachkommen können, denn erst die volle Arbeitswoche ist es, die den Sabbat zum wohlverdienten Ruhetag erhebt.

• Auf den Einwand, daß das Gotteswort, das einst an Adam erging („im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot essen!", Gen 3,19) im Grunde wie ein Fluch klänge, antwortete einer der Talmudmeister: Wenn der Fluch Gottes so heilsam und ersprießlich ist, wie süß muß dann wohl erst Sein Segen sein!

Gewisse Kreise mögen dem Papst vielleicht den Vorwurf machen, seine dritte Enzyklika fuße auf einem weltfremden Humanidealismus und einem allzu optimistischen Weltbild.

Die Antwort darauf steht in der Bibel - gleich nach dem Aufruf zur menschlichen Mitarbeit am Heilswerk der Weltvollendung: „Und Gott sah alles, was Er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut" (Gen 1,31).

Was Gott^ selbst „sehr gut" geschaffen und geheißen hat, das dürfen Päpste und Rabbinen getrost mit Optimismus bewerten.

Der Autor liest als jüdischer Gelehrter und Neutestamentier an den Universitäten Frankfurt, Göttingen und Tel Aviv.

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