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Bekenntnis zum Leben

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Ein Kunstwerk als Zeugnis für ein „Ja zum Leben“: Das war der Beitrag von vier Studenten zum Motto des Papstbesuches. Ihre Erfahrungen mit dem Projekt im folgenden Beitrag.

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Ein Kunstwerk als Zeugnis für ein „Ja zum Leben“: Das war der Beitrag von vier Studenten zum Motto des Papstbesuches. Ihre Erfahrungen mit dem Projekt im folgenden Beitrag.

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Es ist zwei Uhr nachts auf dem Salzburger Kapitelplatz. Ich halte ganz einsam mit einem Mitstudenten Nachtwache bei unserem Projekt IMAGO DEI. Es ist still geworden, und ich ziehe meine Runden: auf der einen Seite die Festung, auf der anderen der Dom, der sich hell vom immer noch kühlen Nachthimmel abzeichnet. In der Mitte steht unser Kunstobjekt, der weiße Würfel, in dessen Inneren sich der Betrachter einer Grundwahrheit unserer christlichen Uberzeugung gegenübergestellt findet: Daß der Mensch von Gott nach seinem Ebenbild erschaffen worden ist.

Den ganzen Juni über stand IMAGO DEI für den Besuch offen und wurde Tag und Nacht von einer kleinen Gruppe von Studenten begleitet. Auch jetzt in der Nacht kommen noch vereinzelt Passanten vorbei mit der Frage: „Was ist denn das, wieso steht ihr hier?“

Diese Frage stelle ich mir selbst immer wieder neu: Gerade jetzt in den Wenigen Nachtstunden, in denen sich so manches gute Gespräch ergibt, fühle ich besonders deutlich, wie wichtig es ist, in unserer Zeit der Lebensverneinung, Lebensverachtung und alltäglichen Lebenszerstörung in Form der Abtreibung immer wieder aufzuzeigen, woher das Leben jedes Menschen seinen Wert und seine Würde erhält:

Jeder Mensch ist von Gott er-, schaffen. Gott kennt jeden einzelnen von uns und liebt ihn. Von daher kommt dem Leben jedes Menschen, von seiner Empfängnis an und in allen Phasen seines Lebens, ein absoluter Wert zu. Das wollten wir zeigen und diese Botschaft weitersagen — trotz mancher Widerstände, (verbaler) Angriffe und Auseinandersetzungen, die im Zuge der Verwirklichung des Projektes nicht lange auf sich warten ließen.

Zunächsf galt es, neben technischen (Statik, Materialfrage) auch organisatorische (die Bewilligung für die Aufstellung mußte an zehn [!] Stellen eingeholt werden) und finanzielle Probleme zu lösen. Dabei empfanden wir vier Stundenten der Akademie für Bildende Kunst und der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien es immer wieder als Geschenk, wie gut unsere Gemeinschaft — die sich erst für dieses Projekt zusammengefunden hatte — funktionierte.

Sobald die tatsächliche Aufstellung von IMAGO DEI in Reichweite gerückt war, begann sich auch Widerstand zu regen. In Kreisen der Hochschülerschaft — und vor allem im Frauenreferat — begann man, gegen die Aussage des Projektes Sturm zu laufen und versuchte, die Realisierung zu verhindern. Die sonst so vielzitierte Freiheit der Kunst sollte da plötzlich nichts mehr wert sein.

Diese lautstarken Proteste konnten zwar nichts am einstimmigen Beschluß des Salzburger Gemeinderates für die Aufstellung am Kapitelplatz ändern, hatten aber doch zur Folge, daß viele Menschen — auch in der Kirche — verunsichert wurden. Die Eröffnung selbst — die von verbalen und auch handfesten Protesten (geworfene Eier) begleitet wurde — erwies sich dann aber als Wendepunkt. Einerseits sorgte unsere ständige Anwesenheit dafür, daß Kritik und Auseinandersetzung im Gespräch aufgefangen werden konnten — mindestens zwei von uns waren Tag und Nacht an Ort und Stelle. Bester Beweis dafür, daß dies gelang: Die Wände von IMAGO DEI blieben weiß.

Andererseits überzeugte die künstlerische Umsetzung offenbar viele, die sich der Aussage selbst nicht anschließen konnten. Der Versuch, mit zeitgenössischen Mitteln der Kunst eine Aussage zu treffen, wurde durchwegs respektiert. Damit war eine gute Voraussetzung für ein Gespräch geschaffen, eine erste Brücke zum Andersdenkenden. So fand etwa eine Gruppe Jugendlicher in einem Salzburger Kaffeehaus das Projekt „super“ — wenn sie auch mit dem Inhalt nicht so viel anfangen konnte.

Ein junger Polizist, der immer wieder vorbeikam, verstand sehr wohl, worum es ging: „Endlich einmal moderne Kunst, die man verstehen kann“, war sein Urteil.Ganze Schulklassen kamen vorbei, fanden es lustig, ihre Nase gegen die spiegelnde Stelle zu pressen und die Skulptur des ungeborenen Kindes zu entdecken.

Im und um den Würfel herum war ständig etwas los. Pro Tag kamen rund 1.600 Besucher, die ein Flugblatt in die Hand bekamen und den Innenraum betraten.

Viele sind überrascht, nur die freistehende Stele vorzufinden. Erst als sie sich selber und das ungeborene Kind entdecken, begreifen sie die Botschaft. Manche kommen immer wieder, um verschiedenen Freunden oder Freundinnen das Projekt zu zeigen und zu erklären oder um die neuesten Kommentare im aufliegenden Buch zu studieren.

Ab und zu bringt auch jemand etwas als Stärkung vorbei: Kuchen, Brote, Obst. Ein Mädchen das gekommen war, um gegen IMAGO DEI Flugblätter zu ver-teüen, entschied sich nach der Besichtigung des Projekts anders. Eine Theologiestudentin radelt jeden Tag am Weg zur Uni bei uns vorbei: Für sie ist das Projekt ein „Bekenntniswürfel“, eine zeitgemäße Ergänzung zum Dom.

Natürlich blieben auch negative Reaktionen nicht aus. Manche fanden es anmaßend, von „Wahrheit“ und „absoluten Werten“ zu sprechen. Andere empfanden das Projekt als Angriff auf die Fristenregelung und auf die Rechte der Frau.

Auch im Hinblick auf den Papstbesuch dienten wir als Anlaufstelle für verschiedene Fragen, als „Blitzableiter“ für Beschwerden und Unmut. Wir waren ein sichtbar ansprechbarer Ort während der Vorbereitungszeit in der Altstadt von Salzburg.

In manchen Gesprächen kamen wir auf keinen gemeinsamen Nenner — es schieden sich die Geister. Aber man nahm den anderen ernst, ließ ihn als eigenständigen Menschen gelten...

Wichtig war jedenfalls die Erfahrung, daß es trotz aller vorher geäußerten Bedenken möglich war, ein klares positives Bekenntnis abzulegen - ohne damit Emo-tionalisierung und Aggression auszulösen.

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