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Zur Psychopathologie des Helden

Die Neuauflage der 1917 in Berlin erschienenen „Autobiographie“ des erfolgreichsten Weltkrieg-I-Jagdflie- gers wäre sinnlos, ja fehldeutbar, ohne einen intelligenten Kommentar. In Verbindung mit dem umfangreichen Essay von F. W. Kor ff ist „Der rote Baron“ von Manfred Freiherr von Richthofen eine gespenstische Studie zur Psychopathologie des Helden. Nicht nur des am 21. April 1918 abgeschossenen Richthofen, der mit 25 Jahren das Schicksal erlitt, das er vorher 80 Gegnern bereitet hatte, und hinter dessen äußerst schnodderiger Kriegshelden-Sprache sich ein kompliziertes Innenleben verbirgt, sondern des Kriegshelden überhaupt. (Richthofens vielzitierte Phantasielo- sigkeit war vermutlich Resultat seiner Erziehung, seiner Selbstdisziplin, und sein Hoppla-jetzt-komm-ich-Stü ist genau das, was damals sehr viele schrieben.) Korff äußert eine Reihe kluger Gedanken - unter anderem über Richthofens „Uberkontrolliert- heit“, seine Autoritätsgebundenheit (die das Gegenteil des Wilhelminischen Untertanengeistes darstellt, nämlich Bindung an „Nahautorität“ im Gegensatz zur abstrakt-ideologischen „Fernautorität“), über die seelische Reaktion auf den eigenen, vorausgeahnten (vorausgewußten?) Tod, über die Funktion des Begräbniszeremoniells für den gefallenen „ritterlichen Gegner“, für den Seelenhaushalt der „recht froh am Leben Gebliebenen“, über das „Nachhölen der verweigerten Tötungshemmung vor dem Toten“. Dazu beklemmende Photos von im Luftkampf einander umkurvenden, einander rammenden Flugzeuge, aus ihren brennenden Maschinen stürzenden Piloten, Trümmern auf dem Boden. (Matthes & Seitz Verlag, München 1977, 344 Seiten, öS 98,50.)

Der andere Isaac Asimov

In seinem Buch „Von Zeit und Raum“ erweist sich Isaac A s i m o v als begabter populärwissenschaftlicher Autor. Er erzählt, neben manchem, was schon weithin bekannt ist, auch Neues. Konfrontiert den Leser mit faszinierenden Spekulationen der Astrophysik, etwa jenen radioastronomischen Daten, die darauf hinwei- sen, daß nicht nur einzelne Sterne, sondern auch ganze Galaxien mit vielen Milliarden Sternen in einer kosmischen Kettenreaktion explodieren können, wenn nämlich der Energieausstoß von Supernovae in Gebieten mit relativ hoher Sternendichte zum Ausbruch weiterer Supernovae führt. Dieser Asimov ist ein sehr viel erfreulicherer als der (mit ihm identische) Science-fiction-Autor, der, aus unerfindlichen Gründen hochgeschätzt, mit seinen Büchern offenbar beweisen will, wie gering die Zukunftschancen der Demokratie sind … (Schweizer Verlagshaus, Zürich 1977, 320 Seiten, öS 204,-.)

Indienreise

„Indien im Monsun“ von Vera Vuckovacki ist eine jener Reisebeschreibungen, aus denen die Liebe des Verfassers zu dem, worüber er schreibt, spricht, die nicht nur Fakten übermitteln, sondern auch Stimmungen, Farben, und die, weit über ihre Informationsfunktion hinaus, den Wunsch keimen lassen, das zu sehen, worüber man so Schönes und Interessantes liest. Die Verfasserin ist eine gute Beobachterin, das Buch mit hervorragenden Photos illustriert. (Safari- Verlag, Berlin, 276 Seiten, 88 Photos, davon 9 in Farbe, 1 Karte in Farben, öS 283,40.)

Abgeräumter Mozart

„Mozart“ von Wolfgang Hildesheimer hat einen Sturm im musikhistorischen Wasserglas heraufbeschworen. Aber es ist ja dieses Buch ■tatsächlich nicht nur das letzte Wort eines Mannes nach vieljähriger Beschäftigung mit dem Mann, den er für den größten Genius der Menscheit hält - es bricht auch gründlich mit dem tradierten Mozart-Bild, das Hildesheimer als Phantasieprodukt denunziert. Es ist ein Werk von außerordentlicher schöpferischer Negativität. Hildesheimer räumt alles ab, was nicht belegbar, oder was widerlegbar ist. Wiederlegbar ist beispielsweise alles was man aus Mozarts gefühlvollen Briefen an Schlüssen auf sein elternliebendes, anteilnehmendes Wesen gezogen hat. Hildesheimer entlarvt es als purste Konvention. Zeichnet einen in allen anderen Dingen als denen seiner Kunst recht infantilen, autistischen, etwas berechnenden, ansonsten aber, das heißt, was seine Musik betrifft, schweigenden Mozart. Nach dieser Abrechnung mit Generationen von Mozart-Biographen bleibt dem Leser nichts in der Hand als ein großes Fragezeichen - und Mozarts Musik. Nicht einmal ein handfestes Argument gegen Hildesheimers Thesen! (Suhr- kamp-Verlag, Frankfurt/M. 1977, 418 Seiten, Abbildungen, öS 292,60.)

österreichische

Denkmalorgeln

Österreich gehört zu den privilegierten Ländern mit einer großen Anzahl wertvoller Orgeln. Alle Stüepochen des Orgelbaues sind mit kostbaren Instrumenten vertreten. Rudolf Scholz beschäftigt sich im ersten Band der neuen Schriftenreihe „Organa Austriaca“ vor allem mit dem Bau der bedeutendsten Barockorgel hierzulande, der Orgel in der Michaelerkirche, weiters mit dem durch Jahrhunderte fortgesetzten Orgelbau der Wiener Hofburgkapelle sowie einigen neuen Forschungsergebnissen, unter anderem über das spezifisch österreichische Orgelregister Portun. „Organa Austriaca“ hat sich überhaupt die Erforschung sowohl der äußeren Orgelgehäuse wie der klanglichen Voraussetzungen für die Realisierung der Musik in den einzelnen Stilepochen zur Aufgabe gestellt. (Wilhelm Braumüller Verlag, Wien 1976, Publikationen des Institutes für organologische Forschung und Dokumentation an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst, 165 Seiten, öS 384,-.)

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