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Der Anspruch auf Mitgeschöpflichkeit

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Es dauert nicht mehr lange, und wir feiern Weihnachten. Jeder soll ein passendes Geschenk bekommen, man will ja Freude bereiten. Unter den vielen Präsenten, die unter dem Lichterbaum in die ausgestreckten Hände gelegt werden, sind auch Tiere: Hunde, Katzen, Vögel, Schildkröten usw. Zuneigung zu den Tieren, das Gefühl der Mitgeschöpflichkeit bestimmt in diesem Moment sicher die Schenkenden und die Beschenkten.

In den vergangenen Jahren hat man sehr viel von Mitmenschlichkeit gesprochen und geschrieben. Das war auch sehr notwendig, drohte ja dieses Wort zu einem Schlagwort zu werden - seiner Verheißung beraubt. Leider herrscht, was die Forderung nach Mitgeschöpflichkeit anbelangt, vielfach tiefes Schweigen. Unsere stummen Brüder, die Tiere, aber warten auf diese Mitgeschöpflichkeit, ja sie haben Anspruch.

Ich habe das Gefühl, unter den Vierbeinern, die zu Weihnachten ein „Herrchen“ bekommen werden, werden viele die Opfer des kommenden Urlaubs werden. Es erschüttert mich immer, die armseligen, von ihren Besitzern ausgesetzten Tiere zu sehen und die überfüllten Tierheime, die aus den Nähten platzen.

Da werden plötzlich aus ausgemachten Tierfreunden Tierfeinde. Und aus den heißbegehrten Weihnachtsgeschenken lästige Plagegeister und Urlaubsverhinderer, die man möglichst schnell beseitigen möchte. Das geht ganz einfach: Man wirft sie bei der Fahrt durch Tunnels aus Zügen und Autos oder man vergißt sie einfach am Rastplatz. Ich glaube, so können wir nicht handeln.

Denn alles, was lebt, Tiere und Pflanzen, sind unsere Mitgeschöpfe, und allem, was lebt, sind wir Mitgeschöpfe. Gemeinsam haben wir am Werden, Sein und Vergehen teil. Wir stehen in einer Schicksalsgemeinschaft, denn die ganze Schöpfung ist in Gottes Heilsplan einbezogen, nicht nur - wohl zuerst - der Mensch.

Die der Kreatur hingestreckte Hand, diese Gebärde der Zuneigung, des Werbens um Zutraulichkeit, ja der Versöhnung, ist nicht ein unverbindliches Hobby einiger weniger, sondern Liebhaberei in wörtlichem Sinn. In diesem Wort verbindet sich Liebe mit dem Spielerischen. Eine solche Liebe ist den Tieren gegenüber Pflicht.

Es bedarf des spielerischen und doch ernsten, des freien und doch verbindlichen Liebhabens, um Mitgeschöpflichkeit in rechter Weise zu verwirklichen. Wohl kann Tierliebe zu Götzendienst werden, wenn Tierfreundlichkeit in Menschenverachtung ausartet. So soll es nicht sein.

Zu Weihnachten bei der Krippe, unter dem duftenden Tannenbaum, sind Ochs und Esel und alle Tiere zu finden, die in das Erlösungs werk mit eingeschlossen sind. Über das Geschenk der Welt und der Schöpfung dürfen wir uns freuen.

Wohl gibt es Menschen, die ein Geschenk mißachten, es mutwillig zerstören, wegwerfen und damit den Schenkenden beleidigen. Wenn es um das Wegwerfen eines toten Gegenstandes geht, mag es hingehen. Wenn es sich aber um die Preisgabe des Lebens handelt, dann ist es Sünde. Dafür werden wir einmal zur Verantwortung gezogen werden. Und was werden wir antworten?

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