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Der Witz vom Hasen und vom Bären

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Kennen Sie den? Wie fängt ein Burgenländer einen Bären? - Er fängt einen Hasen und schlägt ihn so lange, bis er zugibt, daß er ein Bär ist. Ich bitte alle Burgenländer, mir nicht übel zu nehmen, daß ich diesen Witz wiedergebe, den ich vor einigen Tagen in der Straßenbahn gehört habe. Der Bub, dem er von seinem Freund erzählt wurde, antwortete lachend darauf: „Die foltern ihn so lange, bis er zugibt, daß er ein Bär ist.“

Nur ein Witz, ich weiß. Die ihm innewohnende Logik und Selbstverständlichkeit hat für mich jedoch erschreckend viel Ähnlichkeit mit so manchen Nachrichten, die trotz aller Zensur zu uns dringen. Nur handelt es sich da nicht um Witze, sondern um bittere Tatsachen - und es geht auch nicht um Hasen und Bären, sondern um Menschen und meist ihre Stellung zum herrschenden Machtapparat. Mir fallen keine wesentlichen Unterschiede auf, ob dieser Machtapparat nun in Südamerika oder im „Ostblock“ regiert, ob es sich um eine Müi-tärdiktatur oder um die Diktatur einer Partei oder Ideologie handelt.

Ich muß gestehen, daß für mich diese Problematik sehr abstrakt ist. Da ich den Krieg nicht erlebt habe und in Österreich aufgewachsen bin, kenne ich derartige Extremsituationen nicht. Bilder, Bücher und Filme sind sicherlich nicht in der Lage, Ereignisse nachvollziehbar zu machen. Das mag wohl mit ein Grund sein, warum es mir so schwer fällt zu verstehen, wie Menschen es fertigbringen, andere Menschen bewußt zu quälen.

Natürlich gelten in den komplizierten internationalen Wirtschaftsbezügen andere Maßstäbe und diese sind auch wieder nur Ausdruck der politischen Beziehungen, also der bestehenden oder angestrebten Macht- und Einflußsphären. Die „Supermächte“ und die multinationalen Organisationen kalkulieren in Großräumen; der Mensch, gemessen am Resultat seiner Arbeit, gut als einer von vielen Produktions- und Investitionsfaktoren.

Es wird also sehr logisch, sehr sachlich und sehr profitabel gerechnet. Fortschritt, Macht, Profit und Gewalt stehen an oberster Stelle der weltweiten Werthierarchie. Und wie ist das bei uns? Wir sind keine Supermacht, und gefoltert wird bei uns doch auch niemand wegen seiner politischen Überzeugung.

Einen Schwerpunkt in unserer Wirtschaft stellt sicherlich der Handel dar. Wenn man sich die Liste der Länder ansieht, mit denen wir wichtige Handelsbeziehungen unterhalten, dann ist darunter eine auffallend hohe Anzahl von Ländern, in denen wesentliche menschliche Grundrechte verletzt werden. Steht auch bei uns der Profit höher als die Menschlichkeit?

Welche Leitbilder und Ideale bestimmen unsere Meinung, unser Urteil, unser Handeln?

Am Arbeitsplatz zählt der Erfolg. Um den Preis wird dabei nicht gefragt - (weil ihn ohnehin andere zahlen?). Die Vortäuschung falscher Tatsachen nennt man: „Verkaufstalent“; bewußt falsche Information, also gewinn- und machtorientierte Lüge ist dann „industrielle Werbekraft“ oder „politische Propaganda“; wenn lebensgefährliche Auswirkungen in der Kernphysik oder bei der chemischen oder Rüstungsforschung verschwiegen werden, dann spricht man von „systemorientiertem Forschen“.

Es stehen eben Fortschritt und Macht an oberster Stelle - wenn dazu auch Gewalt nötig ist - und nicht der Mensch oder die Menschlichkeit Die Leitbilder und Ideale, die dargestellt werden, orientieren sich fast ausschließlich an den „Mächten“.

Eine Gesellschaft, die in ihrem Grundkonzept die Würde und den Wert des Menschen mißachtet und in Frage stellt, muß notwendigerweise zur Lösung von Konflikten Gewaltmethoden anwenden.

Die Gesellschaft bilden wir alle. Somit ist jeder von uns verantwortlich für den Wert und die Würde, die jedem Menschen in unserer Familie, unserer Umgebung, letztlich in Österreich zugestanden wird. Ist das nicht ein großer und wichtiger Auftrag an uns?

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