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Die drei Premiers

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Nach der erniedrigenden öffentlichen Beichte, genannt „Selbstkritik“, des bisherigen ungarischen Ministerpräsidenten Jenö F o c k, auf dem 11. Parteikongreß im März, mußte er jetzt auch seinen Rücktritt einreichen. Fock regierte seit 1967, soweit dies überhaupt möglich war. Der 59jährige war. ein ^aufrjchtjger Anwalt der Wirrschaf tsreförm gewesen, “de&Wegenziemlich suspekt in COMECON-Führungsgremien, die unter „Integration“ mehr Ausbeutung und Abhängigkeit von der russischen Wirtschaft verstehen.

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Nach der erniedrigenden öffentlichen Beichte, genannt „Selbstkritik“, des bisherigen ungarischen Ministerpräsidenten Jenö F o c k, auf dem 11. Parteikongreß im März, mußte er jetzt auch seinen Rücktritt einreichen. Fock regierte seit 1967, soweit dies überhaupt möglich war. Der 59jährige war. ein ^aufrjchtjger Anwalt der Wirrschaf tsreförm gewesen, “de&Wegenziemlich suspekt in COMECON-Führungsgremien, die unter „Integration“ mehr Ausbeutung und Abhängigkeit von der russischen Wirtschaft verstehen.

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Etwas früher als erwartet, kam Focks Rücktritt. Seine wachsende Verstimmung war in höheren Parteikreisen allerdings längst bekannt. Breschnjew persönlich war mit ihm in Moskau beim üblichen Rapport sehr unsanft umgegangen, woraus Fock dann nach seiner Rückreise in Budapest kein Hehl machte. Auch unter den Genossen gibt es Super-männer und Watschenmänner.

Die Regelung der Nachfolge war eine Überraschung. Gleich drei Wirtschaftsexperten treten aus dem dunklen Hintergrund hervor, um das Ruder der Budapester Regierung zu übernehmen: György Läzär als Ministerpräsident, Istvän Huszär und Gyula Szeker als gleichberechtigte

Ministerpräsidenten-Stellvertreter. Wer sind diese Männer, die bisher noch nie im Rampenlicht der Budapester Bühne standen?

György Läzär wurde auf dem 11. Parteikongreß, also kürzlich, ins Politbüro „gewählt“, die beiden anderen nicht. Soviel war von Läzär jedenfalls bekannt, daß er ein gutgeschulter Wirtschaftsfachmann ist, der zuletzt als ständiger Vertreter Ungarns im COMECON zur vollen Zufriedenheit des großen Bruders in Moskau funktioniert hat. Der sehr gut aussehende, heute 51jährige Mann stammt aus einer Arbeiterfamilie und trat am Beginn der russischen Okkupation, im Jahr 1945, der KP bei. Er ist Absolvent einer Industrie-Hochschule. Zwischen 1942 und 1948 arbeitete Läzär als technischer Planer. In den darauffolgenden zehn Jahren war er Büroangestellter, stellvertretender Abteilungschef und schließlich Abteilungschef im Nationalen Planungsamt, wo er die nächsten zwölf Jahre als stellvertretender Direktor verbrachte. Im Jahr 1970 gelang György Läzär der erste große Sprung nach vorne, als er zum Arbeitsminister ernannt wurde. In diesem Amt wirkte er drei

Jahre lang. 1973 rückte er zum stellvertretenden Ministerpräsidenten vor, wurde gleichzeitig Vorsitzender des Staatlichen Planungskomitees

und Präsident des Nationalen Planungsamtes.

Was aber viel wichtiger für seine Karriere war: man hat ihn zu Ungarns ständigem Vertreter beim COMECON ernannt. Das Zentralkomitee der Partei hatte ihn bereits 1970 als Mitglied aufgenommen.

Als neues Politbüromitglied und frischgebackener Ministerpräsident muß György Läzär die Hauptlast der wirtschaftlichen Verantwortung tragen. Ob er sie tragen kann, werden die nächsten Monate erkennen

lassen. Läzär ist kein Prahlhans und bezeichnete 'sich bisher gerne und als einen „Beamten“.

Istvän Huszär ist hingegen ein neuer Stern auf dem Parteihimmel. Erst vor kurzem brachte er es zum stellvertretenden Präsidenten des Ministerrats. Er besitzt eine durchschnittliche, aber nicht oberflächliche wirtschaftliche Grundausbildung. Bis zur Politbüromitgliedschaft brachte er es noch nicht.

Diplomingenieure mit Doktortitel sind auch in der ungarischen Regierung und Parteiführung eine Seltenheit. Der zweite neue stellvertreten-

de Ministerpräsident, Gyula Szeker, gehört zu diesen wenigen. Parteiarbeit mit ihren unvermeidlichen politischen Intrigen war ihm bisher fremd. Er ist ein erstklassiger Ingenieur und nur deshalb wurde er vor ein paar Jahren als Minister an die Spitze der wichtigsten ministeriellen Produktionsorganisation, des Schwerindustrieministeriums, gestellt, wo er sich voll bewährt hat. In den höchsten politischen Parteigremien würde man seinen Namen umsonst suchen.

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