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Die Eisbergspitze

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Nicht nur Tirols Fremdenverkehr wird von der gegenwärtigen weltweiten Wirtschaftskrise empfindlich durchgerüttelt, die Auswirkungen machen sich auch auf dem Industriesektor bemerkbar. Das spektakulärste Ereignis in diesem Zusammenhang ist die kürzlich erfolgte Massenentlassung bei den Swarovski-Werken in Wattens. Das Abflauen der Konjunktur in den Exportländern sowie die drastischen Kreditrestriktionen haben die Leitung dieses großen Tiroler Industriebetriebes, der auf die Herstellung von Glasschmuck und Glasschleiferzeugnissen spezialisiert ist, gezwungen, 600 Angestellte und Arbeiter zu entlassen. Von dieser Maßnahme sind 450 heimische und 150 ausländische Arbeitskräfte betroffen.

Die Geschäftsführung hat es sich nicht leicht gemacht, als sie diesen Ausweg aus einer bedrohlichen wirtschaftlichen Situation suchte. Vorher wurden alle Möglichkeiten einer Rationalisierung ausgeschöpft und letztlich jeder einzelne Kündigungsfall im Zusammenwirken mit leitenden Angestellten und Betriebsobleuten ausgeleuchtet.

Die Firma Swarovski gilt als besonders sozial und hat vor allem auch den privaten Wohnbau von Firmenangehörigen großzügig unterstützt. Die für solche Zwecke zugesagten Hilfeleistungen werden auch den Entlassenen weiterhin zugute kommen.

Wie der Präsident der österreichischen Industriellenvereinigung, Landesgruppe Tirol, Fritz Heiss, erst unlängst erklärte, handle es sich bei den Schwierigkeiten von Swarovski- Wattens nur um den „Zacken eines Eisberges“. Die internationale Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Industrie sei durch inflatorische Kostenentwicklung, vor allem bei den Löhnen, spürbar gemindert worden. So machten gerade bei der Firma Swarovski die Personalkosten 70 Prozent der Gesamtkosten aus. Jede Lohnerhöhung müsse sich auf die Preise und diese wiederum auf den Absatz auswirken. Zu große Absatzschwierigkeiten haben dann letztlich ihre Auswirkungen auf die

Vollbeschäftigung. Es dürfte niemanden wundern, wenn angesichts der Rückgänge im Fremdenverkehr, in der Autoindustrie sowie der schwindenden Auftragslage in der Bauwirtschaft nun auch die Industriebetriebe Konjunkturrückschläge und Schwierigkeiten in der Kapazitätsauslastung melden, besonders wenn die Produktion auf Luxusgüter aufgebaut ist, die der Mode unterliegen. Die Industriellenvereinigung habe immer große Verantwortung im Sinne der Arbeitsplatzsicherung gezeigt, aber diese Einstellung müsse mit der Rentabilität in Einklang gebracht werden.

Auch im Zillertal wird es in nächster Zukunft Entlassungen geben. Die Österreichisch-Amerikanische Magnesit AG hat beschlossen, bis Ende 1975 den Bergbaubetrieb in Tux-Lanersbach wegen mangelnder Rentabilität einzustellen. Der Hüttenbetrieb wird ein Jahr später geschlossen. Auch von dieser Maßnahme sind 175 Beschäftigte betroffen, allerdings wird die Reduzierung der Belegschaft stufenweise erfolgen und man hofft, die Arbeitskräfte zu einem überwiegenden Teil in anderen Betrieben unterbringen zu können. Die Einstellung des Magnesitbergbaues in Tux-Lanersbach stellt auch einen schweren Schlag für die Zillertalbaihn dar, deren Wirtschaftlichkeit weitgehend vom Magnesit-Transport abhängig ist.

In Schwierigkeiten befindet sich — trotz der Olympiade-Bautätigkeit — auch das Tiroler Baugewerbe, während die Rückgänge auf den meisten übrigen Sektoren der Wirtschaft noch nicht beängstigend sind. Allerdings werde man — wie von kompetenter Seite dazu geäußert wird — nun’ von der Überbeschäftigung zur Normalbeschäftigung zurückkehren müssen. Wie alle diese Symptome zeigen, beginnen sich auch in den Bundesländern jene harten Zeiten abzuzeichnen, die von Wirtschaftsexperten — im Gegensatz zu den Beteuerungen von Regierungsmit- gliedem — schon seit langem vorhergesagt wurden.

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