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Die Folgen der Abtreibung wiegen schwer

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1. Juni, Tag des Lebens: Ein Anlaß, wieder einmal auf die Katastrophe der Abtreibungen hinzuweisen - insbesondere für die Frau: psychische Spätfolgen sind die Regel. Kein Wunder, vollzieht die Schwangere doch einen Akt, der ihrem Wesen total entgegenlauft.

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1. Juni, Tag des Lebens: Ein Anlaß, wieder einmal auf die Katastrophe der Abtreibungen hinzuweisen - insbesondere für die Frau: psychische Spätfolgen sind die Regel. Kein Wunder, vollzieht die Schwangere doch einen Akt, der ihrem Wesen total entgegenlauft.

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Eine Abtreibung richtet sich gegen die Natur der Frau. Diese gerät auch dann psychisch in Kollision mit ihrer Identität, wenn immer mehr Frauen glauben, sich von dem „konventionellen" Rollenbild der Frau und Mutter lossagen zu müssen.

Es ist ihr ungeborenes Kind, das die Frau bei der Abtreibung verliert -nicht bloß irgendein Embryo oder Fötus. Deshalb lehnen viele Frauen im psychosozialen Beratungsgespräch bei Konfliktschwangerschaft häufig das Angebot, das Kind zur Adoption freizugeben, mit dem Argument ab: „Ich gebe mein Kind, mein eigenes Fleisch und Blut, nicht fremden Menschen zur Aufzucht. Lieber treibe ich ab."

Die durch eine Abtreibung bei einer Frau ausgelöste Identitätskrise ist viel schwerer als etwa der Verlust der Brust bei Krebs. Denn die Brust ist nur ein Teil des Körpers der Frau, das ungeborene Kind hingegen eine eigenständige, von der Mutter wesensverschiedene Person. Und so berichten etwa achtzig Prozent der befragten Frauen von schweren psychischen Spätfolgen nach der Abtreibung. Diese sind viel gravierender als die körperlichen, denn erfahrungsmäßig fallen die Prognosen für eine erfolgreiche Psychotherapie ungünstig aus.

Nach der Abtreibung treten folgen-

de psychische Spätfolgen gehäuft auf: Reue- und Schuldgefühle, Selbstvorwürfe, Stimmungsschwankungen und Depressionen, unmotiviertes Weinen, Angstzustände und schreckhafte Träume. Oft begleiten funktionelle Störungen das psychische Geschehen, Herzrhythmusstörungen etwa, labiler Blutdruck, Migräne, Magen-Darm-Störungen oder Unterbauchkrämpfe. Etwa sechzig Prozent der interviewten Frauen glauben an das Auftreten von Reue und Schuldgefühlen nach dem Abbruch, ebenso viele fühlen sich selbst schuldig. Spricht man die Frauen direkt oder indirekt auf Schuldgefühle und Selbstvorwürfe an, so wird die Aussage „Seit dem Abbruch habe ich häufiger Schuldgefühle ohne zu wissen warum" häufig bejaht. Bei einer Befragung wurde das Vorhandensein von Schuldgefühlen, Gewissensbissen oder Reue bald heftig bestritten, bald gelassen verneint.

Doch klagen Frauen häufig über negative Symptome, teilweise sogar über psychosomatische Beschwerden. So wird das Schuldgefühl nicht mehr bewußt erlebt, sondern abgewandelt als körperliches Leiden. Der Psychotherapeut Medard Boss meint, daß Angst und Schuldgefühle in zunehmendem Maße in die Verborgenheit des Leibesinnern kriechen und dann nur noch die Fremdsprache der sogenannten funktionellen Herz-Magen-Darm-Beschwerden oder anderer Organneurosen sprechen. Es ist, als ob das Unbewußte damit einverstanden wäre, daß der Konflikt auf der somatischen Ebene ausgetragen wird. In Befragungen sprechen etwa 35 bis 40 Prozent der Frauen von Stimmungsschwankungen und depressiven Zuständen nach der Abtreibung. Sie beschreiben dies als erhöhte Reizbarkeit, heiter-fröhlich-traurige Stirn-

mungslage bis hin zu ausgesprochenen Depressionen, die so stark werden können, daß die Frauen sich in ambulante, stationäre psychosomatische oder psychiatrische Therapie begeben müssen. Es kann sogar zu Äußerungen von Selbstmordgedanken und -versuchen kommen, die vor dem Abbruch nicht da waren. Andere Frauen haben keine Hoffnung mehr für die Zukunft, müssen sich zu Arbeiten zwingen, die sie vor dem Abbruch spielend erledigt hätten, und sehen manchmal aus einer schwierigen Situation keinen Ausweg mehr. Etwa 35 Prozent der Frauen weinen seit der Abtreibung häufiger, ohne eigentlich dazu motiviert zu sein. Eine Patientin bricht während des Interviews bei jeder Frage, die den Abbruch direkt anspricht, in Tränen aus, obgleich der Eingriff schon vier Jahre zurückliegt.

Auf die Frage „Seit dem Abbruch habe ich öfter Angstgefühle, ohne zu wissen wovor" antworten etwa 30 Prozentder befragten Frauenmit, Ja". Alpträume unmittelbar nach der Abtreibung und geraume Zeit danach befassen sich mit kleinen toten Kindern.

Weit mehr als die Hälfte der befragten Frauen fühlt sich unmittelbar nach der Abtreibung nicht freier und wohler, sondern nervöser, weniger ausgeglichen und gewinnt die innere Ruhe nicht wieder. Frauen quälen sich mit Fragen: „Ob es wohl schon ein richtiger Mensch war?" „Was haben die Ärzte mit meinem toten Kind gemacht?" „Was ist wohl mit ihm geschehen?" Oft hört man die Äußerung: „Ich muß an mein Kind denken, wenn ich andere Frauen mit ihren Kindern sehe. Ich fühle mich schuldig, weil ich Leben vernichtet habe."

Die Autorin ist Psychologin an der Universitätsfrauenklinik Würzburg. Aus: IMABE-Quartalsblätter Nr. 2/93.

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