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Die Legitimation der Medien
Das Kulturgespräch über das Thema „Wer oder was legitimiert die Massenmedien?“ brachte dem Europäischen Forum Alpbach einen temperamentvollen Abschluß und den Anreiz, im nächsten Jahr die Diskussion in diesem Themenbereich fortzusetzen. Denn es zeigte sich, daß die Möglichkeit, Kurz- wie Langzeitwirkungen der Massenmedien gültig zu beurteüen, sowohl aus noch unzureichender Wirkungsforschung wie aus mangelnder Wissenschaftstheorie nicht gegeben ist.
Für österreichische Teilnehmer rückte die derzeit aktuelle Personalfrage beim ORF so sehr in den Vordergrund, daß Diskussionsleiter Fritz Molden als Ubersetzer von Austriazismen sich einschalten mußte. Hörfunkintendant Wolf in der Maur verteidigte die zwar theoretisch nicht gegebene, aber praktisch vorhandene Monopolstellung des ORF und begründete dies u. a. mit der suggestiven Kraft, die Hörfunk wie Fernsehen innewohnt und daher nicht jedermann überlassen werden dürften. Gesetzesveränderungen wären jeweils Reaktionen auf Veränderungen gesellschaftlicher wie politischer Verhältnisse. Wie gewohnt temperamentvoll konterte der Wiener ÖVP-Stadtrat Erhard Busek, Änderungen im Personalstand seien das eigentliche Ziel der SPÖ-Rundfunkreform gewesen.
Diese Erklärungen politischer
Kontrahenten waren der Beweis für die Thesen, die von den Soziologen und Meinungsforschern vorgetragen wurden, daß sich nämlich Diskussionen über Wirkung der Massenmedien eher im Emotionalen als im Sachlichen bewegten. Elisabeth Noelle-Neumann (Universität Mainz und Institut für Meinungsforschung in Allensbach) bedauerte die stiefmütterliche Behandlung der Medienforschung an den Universitäten. Der Grund dafür liege in der Angst der Politiker, denn die Frage nach der Legitimität der Medien sei harmlos, solange sie nur theoretisch gestellt und normativ' beantwortet werde. Je mehr Ergebnisse auf dem Tisch lägen, um so explosiver werde die Lage.
Nach Noelle-Neumann wandle sich die These, daß die Massenmedien Einstellungen nicht änderten, sondern lediglich verstärkten, allmählich zu dem Dogma, die Wirkung der Massenmedien lasse sich wissenschaftlich nicht nachweisen. Sicher sei, daß das Fernsehen die Wirkung der Massenmedien wesentlich verstärkt habe und der Anteil politisch Interessierter gestiegen sei. Ob auf lange Sicht das Sozialverhalten beeinflußt werde, ob der Verlust an Stabilität unserer Gesellschaft die Wirkung des, Fernsehens verstärke oder ob das Fernsehen schuld am Stabilitätsverlust sei, ließe sich heute noch nicht sagen.
Mittels der Massenmedien ließen
sich nach der Referentin zwar Minderheitsmeinungen in Mehrheitsmeinungen umwandeln (die Einstellung der deutschen Bevölkerung zur Ostpolitik habe dies deutlich gezeigt), aber eine Beeinflussung sei nur bis zu einem gewissen Grad möglich. Eigene Erfahrungen und Beobachtungen können die Bevölkerung dazu führen, sich von der angenommenen Meinung wieder abzuwenden.
Als altgedienter Journalist referierte Michael Gorday (Europakorrespondent des amerikanischen „Newsday“) über die „schreibende Presse“. Er brachte die kürzeste Antwort zum Tagesthema: Der Leser und sein Recht auf Information legitimierten die Massenmedien, deren Pflicht es sei, zu informieren. Wie schwer das in der Praxis durchzuführen und zu überprüfen sei, wies er am Beispiel der französischen Presse nach und kritisierte das Uberhandnehmen einer für den Leser nicht immer durchschaubaren Vermischung von Information und Journalistenmeinung^
Die Beeinflussung durch die Massenmedien scheint also eher indirekter Natur zu sein, insofern sie beim Leser die Wahrnehmung der Umwelt verändert. Nimmt man alles in allem, erwies sich dieses Kulturgespräch als das politischeste Gespräch dieses Jahres in Alpbach - wesentlich brisanter, weil da ein schlafender Bär zu wecken ist, als das „Politische Gespräch“ wenige Tage zuvor.
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