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Die Notwendigkeit der Religionskritik

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Religionskritik-eine Sache religionsloser und kirchenfeindlicher Zeitgenossen? Wer sich genauer mit der Geschichte der großen Weltreligionen befaßt, wird bemerken, daß sich die Lebendigkeit einer Religion auch daran zeigt, inwieweit Menschen bereit sind, sich engagiert-kritisch mit ihr auseinanderzusetzen, und ob diese seitens der offiziellen Institutionen geduldet, gefördert oder verfolgt werden. Religionskritik kann reinigende Funktion haben. So gesehen darf wohl auch Jesus von Nazaret zu den großen Religionskritikern gezählt werden.

Den vorliegenden Büchern ist eine kritisch-befreiende Auseinandersetzung mit dem Christentum gemeinsam: Herbert Ziegler, Jesuit und Schüler von Herbert Haag, bietet in seinem Buch eine umfassende Darstellung der geschichtskritischen Evangelienforschung, die sich seit Jahrzehnten bemüht, ureigene Worte Jesu von späteren Zutaten zu unterscheiden. Aus diesen Erkenntnissen setzt der Autor dann das Evangelium Jesu zusammen, soweit es historisch abgesichert ist. Diese Perspektive zeigt mit besonderer Schärfe, daß manche Erzählungen des Neuen Testaments ihren Sinngehalt nicht als historische Erzählungen haben, sondern daß sie nur von ihrer Bildsymbolik her in ihrer Tiefe erschlossen werden können. Diese Forschungsrichtung erschließt einen sachgemäßen Umgang mit biblischen Texten und befreit von oftmals belastenden Mißverständnissen.

Theologiekritisch in einem anderen

Sinne sind die Arbeiten engagierter Theologinnen, die ihre männlichen Kollegen von Paulus über Augustinus und Thomas von Aquin bis zu Dietrich Bonhoeffer und Karl Rahner auf ihre Gottes- und Frauenbilder hin untersuchen. Nicht zuletzt aufgrund seiner wissenschaftlichen Genauigkeit verdeutlicht dieser Band die Notwendigkeit, die abendländisch-christliche Theologie- und Kulturgeschichte auf versteckte und bewußte Bilder und Symbole zu befragen, die in ihrer Einseitigkeit stets zum Vorschein kommen und sich praktisch auswirken.

Adolf Holls 17 Übungen in Kirchenkritik bedürfen einer aufmerksamen Lektüre, sonst könnte dem Leser die eigentliche Spannung des Buches entgehen: die Notwendigkeit der versammelten Einzelkritiken reicht zurück und entspringt einer theologischen Erfahrung und einem tiefen Verständnis der Sache Jesu. Holl thematisiert Altlasten patriarchaler Religion ebenso wie gegenwärtige religiöse Rastlosigkeit und Neugier. Im zentralen Abschnitt über „skandalöse Zustände" bedenkt der Autor seine Trauer angesichts der gegenwärtigen kirchlichen Situation.

WEHE EUCH IHR HEUCHLER! Die ureigenen Worte Jesu. Von Herbert Ziegler. Walter Verlag, Solothurn 1993. 237 Seiten, öS 233,-. WIE THEOLOGEN FRAUEN SEHEN. Von der Macht der Bilder. Herausgegeben von Renate Jost und Ursula Kubera. Herder Verlag, Freiburg 1993. 237 Seiten, öS 250,-. IN GOTTES OHR. 17 Übungen in Kirchenkritik. Von Adolf Holl. Patmos Verlag, Düsseldorf 1993. 139 Seiten, öS 233,-.

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