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Biblisches Denken — moderne Wissenschaft

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BIOS UND CHRISTENTUM. Wege zu einer „natürlichen" Offenbarung. Von Armin Müller. Ernst- Klett-Verlag, Stuttgart. 280 Seiten

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BIOS UND CHRISTENTUM. Wege zu einer „natürlichen" Offenbarung. Von Armin Müller. Ernst- Klett-Verlag, Stuttgart. 280 Seiten

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Die durch die Schriften Rudolf Bultmanns ausgelöste Entmythologisierungskrise hat in der protestantischen Theologie eine Situation geschaffen, durch die die Glaubwürdigkeit des Christentums, ja die Glaubensgewißheit überhaupt und damit die Existenz der Kirche in Frage gestellt ist. Nach der Meinung des Verfassers, der als Nervenarzt in der Medizin und allgemeinen Biologie beheimatet ist, könne die gegenwärtige Krise nicht -dadurch überwunden werden, daß die Glaubensfundamente in ihrer historischen Bedingtheit regeneriert werden, sondern man müsse vielmehr nach neuen Offenbarungsquellen Ausschau halten. Es gelte daher, die traditionelle Natur- und Leibfeindlichkeit innerhalb der protestantischen Theologie zu überwinden und „im Sinne Goethes die Zeichen der Natur zu entziffern, sie so zum Sprechen zu bringen, daß auch aus ihr trotz aller Dämonie die Stimme des liebenden Gottes an unser hellhörig gewordenes Ohr vernehmbar dringt“. Aus den Urgegebenheiten, insbesondere der lebendigen Natur, wird also dem Menschen echte Offenbarung zuteil, sofern er sich dieser in kongenialer Begegnung äufzuschließen vermag. Erweist sich ja doch immer klarer die Unmöglichkeit, die ungeheure Formenmannigfaltigkeit der belebten Natur aus reinen Nützlichkeitsaspekten, aus purer Art- und Selbsterhaltung gegenüber dem Druck der Selektionsfaktoren, zu verstehen. Im Gegenteil, die Fülle der Lebensformen in ihrem verschwenderischen Reichtum und Luxus ist nur als Auswirkung eines phantasievoll schöpferischen, in keiner Weise nur zweckgebundenen Gestaltungstriebes anzusehen, es kommt ihr vielmehr „jenseits jeder biologischen Rationalität ein reiner Darstellungswert“ zu.

Der Verfasser wendet sich mit diesen Ausführungen in erster Linie an evangelische Christen und will ihnen einen Ausweg aus der durch die Entmythologisierungskrise geschaffenen Situation weisen. Zugleich macht er aber auch deutlich, daß die zwischen Theologie und moderner Naturwissenschaft, besonders der Biologie, bestehende Spannung in der protestantischen Lehre von der totalen Verderbtheit der Natur und der radikalen Andersartigkeit von Gott und Mensch ihren Ursprung hat. Daß nun, wenngleich ’vereinzelt, der Gedanke von der Natur als echter Offenbarungsquelle auch bei unseren im Glauben getrennten Brüdern Anklang findet, das ist die erfreuliche Bilanz des vorliegenden Buches. Das heißt aber freilich noch nicht, daß Müller von dieser Basis aus die Möglichkeit eines logisch einwandfreien Gottesbeweises anerkennt, so wie dies die katholische Philosophie immer vertreten hat. Der biologisch Gebildete wird überdies wegen der Ansatzpunkte zur Ueberwindung einer ganz und gar sinnfreien und utilitaristischen Betrachtungsweise des Lebensgeschehens aus diesem Buch reichen Nutzen ziehen.

Dr. Oswald Gehlert SJ.

FRAUEN VOR GOTT. Von Eleonore B e c k und Gabriele Miller. Verlag Butzon & Bercker, Kevelaer. 352 Seiten. Preis 5.40 DM.

Aehnlich empfehlend ausgestattet und modern gehalten ist dieses Frauengebetbuch wie die im gleichen Verlag erschienenen, weit verbreiteten Gebetbücher „Jugend vor Gott“ und „Männer sprechen mit Gott“, ohne an Wert an diese heranzureichen. Die fast unübersehbare Menge von Gebeten alter und neuer Prägung sind mehr den mannigfachen persönlichen Bedürfnissen der Frauenseele angepaßt als eine Anleitung zum persönlichen Beten. Die Modernisierung in der Anlage und im Inhalt geht wohl recht weit. Man hat den Eindruck, daß kein Theologe es gewagt hat, die Verfasserin auf die Schwächen ihres Büchleins hinzuweisen. Für eine Neuauflage sollen hier nur ein .paar Andeutungen folgen: Ein besserer Anschluß an das Kirchenjahr wäre leicht möglich gewesen. Recht dürftig sind die Belehrungen über die Sakramente, über die Bedingungen zur Gewinnung der Ablässe, über den Rosenkranz und die Sünde. Der folgenschwere Unterschied hinsichtlich der Schwere der Sünden wird ganz übergangen. Von der Andachtsbeichte ist trotz der Warnungen Pius’ XII. nie die Rede. Was im Gewissensspiegel und in den Mustern der Beichtanklage gebracht wird, enthält manche wertvollen Gedanken, aber auch nicht wenige recht fragwürdige Sätze. Was soll z. B. einer Durchschnittsfrau der Wink bieten: „Die eheliche Begegnung ganzheitlich (in der äußeren und inneren Harmonie) erleben"? Beim Hinweis auf die Stoßgebete fehlt jedes von der Kirche empfohlene und mit Ablässen versehene Stoßgebetsmuster. „Gnade“ und „Herz Jesu“ kommen im Inhaltsverzeichnis nicht vor. Von den kirchlich approbierten Litaneien sind nur Fragmente aufgenommen. Der Kreuzweg ist beim Kapitel über das Sterben eingereiht. Der Abschnitt „Preist den Hund der alten Jungfer“ kann als Geschmacklosigkeit gedeutet werden, die den Verfasserinnen kaum bewußt geworden ist. Das Apostolische Glaubensbekenntnis kommt nirgends vor, das Vaterunser erst — auf der letzten Seite!

Pius Fank, Can. reg.

GOTT IST AM WERK. Aus dem Buch „De operations Dei“ von Hildegard von Bingen, übersetzt und erläutert von Heinrich Schipperges, Walter- Verlag, Olten. 187 Seiten.

Aus den gänzlich unphilosophischen und untheologischen Visionen in Hildegards Buch „Vom Wirken Gottes" wurde eine Auswahl getroffen, die eine eigenartige, bildhafte Menschenkunde gibt. Durch Hildegards Gesichte soll der Mensch dem Menschen erläutert werden — der Mensch in seiner Welt. Welt: Wirken Gottes in der Natur des Menschen, in seinem Leib als einem Bildgefüge; Wirken Gottes in der Zeit und Geschichte, die ihrerseits ein Bild des Menschen sind. Der Mensch aber ist ein Bild Gottes. So ist alles, was um den Menschen, an und in ihm ist, dahin geschaffen, um am Ebenbild Gottes den wirkenden Gott und den geschaffenen Menschen zu erkennen, der als Mikrokosmos den Makrokosmos „enthält“. Heinrich Schipperges hat eine Auswahl, Einleitung und Wegführung hergestellt, die das Fremde und Fast-Fremde solcher visionärer Anthropologie dem Leser nabebringt und — Freude bereitet.

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