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Die Oper bleibt eine Ausnahme!

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Es passierte bei den diesjährigen Wagner-Festspielen in Bayreuth, daß alteingesessene Hügel-Besucher besorgt auf jeden Bärtigen und Langmähnigen im Gammel-Look blickten, der sich am Flanier-Parcours in den Pausen, blicken ließ und mutmaßten: „Das ist bestimmt dieser Chereau!“ Denn ein Franzbse dieses Namens soll 1'976, zur Hundertjahrfeier des Nibelungenrings und der Bayreuther Festspiele, die Tetralogie inszenieren. Der Vorschlag kommt von Pierre Boulez, und das Engagement kam endgültig zustande, als die Verhandlungen mit dem Berliner Schaubühnen-Chef Peter Stein spektakulärer gescheitert Waren: als es Wolfgang Wagner in Bayreuth lieb ist. Seit der 31jährige Theatermann genannt wurde, im deutschsprachigen Raum weitgehend unbekannt, blieb es immer wieder bei der Frage: Wer ist Patrice Chereau?

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Es passierte bei den diesjährigen Wagner-Festspielen in Bayreuth, daß alteingesessene Hügel-Besucher besorgt auf jeden Bärtigen und Langmähnigen im Gammel-Look blickten, der sich am Flanier-Parcours in den Pausen, blicken ließ und mutmaßten: „Das ist bestimmt dieser Chereau!“ Denn ein Franzbse dieses Namens soll 1'976, zur Hundertjahrfeier des Nibelungenrings und der Bayreuther Festspiele, die Tetralogie inszenieren. Der Vorschlag kommt von Pierre Boulez, und das Engagement kam endgültig zustande, als die Verhandlungen mit dem Berliner Schaubühnen-Chef Peter Stein spektakulärer gescheitert Waren: als es Wolfgang Wagner in Bayreuth lieb ist. Seit der 31jährige Theatermann genannt wurde, im deutschsprachigen Raum weitgehend unbekannt, blieb es immer wieder bei der Frage: Wer ist Patrice Chereau?

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Vor zehn Jahren hatte bei der Woche des Studententheaters in Erlangen Chereau ein Stück Lope de Vegas beigesteuert. Er glaubt auch, damals einen Preis bekommen zu haben, aber das weiß er nicht mehr so genau. Jedenfalls ahnte damals noch niemand, daß dieser französische Student der Regisseur des Jubi-läums-„Ring“ in Bayreuth sein würde. In diesem Sommer nun weilte er bei Richard, besuchte den „Ring“ zusammen mit seinem Bühnenbildner Richard Pe-duzzi und' seinem Kostümschöpfer Jacques Schmidt. Gemeinsam mit Pierre Boulez als Dirigenten, wird es ein rein französisches Produktionsteam im nächsten Jahr am Grünen Hügel geben.

Die besorgten Wagnerianer straft er Lügen: Er ist weder bärtig noch langmähnig, demonstriert nicht den Habitus des Bürgerschrecks, ist sympathisch und sehr überlegt bei der Unterhaltung. Uber ein etwaiges „Ring“-Konzept kann, darf und will er nichts sagen. Er hat ja auch noch keines. In Bayreuth sah er die vier Werke zum ersten Mal; die Musik kennt er teilweise von Schallplatten. Als Opernregisseur wirkte Chereau bisher zweimal: Rossinis „Italienerin in Algier“ inszenierte er beim Festival von Spoleto, „Hof f manns Erzählungen“ an der Pariser Oper. „Es waren Einladungen“, kommentiert er, „doch diese Opern sind es nicht, was mich am meisten interessiert. Man träumt als Regisseur von einer idealen Mischung aus Regie und Musik, daß man die Handlung an einen Punkt führen kann, an dem die Musik notwendig wird. Das kann man, glaube ich, mit Wagner machen, diesen unmöglichen Traum.“

Mit seiner „Hoffmann“-Insze-nierung sei er trotz des Erfolgs unzufrieden gewesen: „Ich habe danach gesagt, ich mache nie mehr Oper, weil ich tiefere Dinge ausdrücken will. Aber in diesem Moment kam der Vorschlag von Boulez, und vielleicht liegt in der Inszenierungsaufgabe des ,Ring' die Antwort, die ich suche. Für mich ist die Musik immer notwendig gewesen, aber seitdem ich auch einen Film gemacht habe, brauche ich stärkere Stoffe, keine nichtssagenden Libretti.“

Opernregie müsse für ihn die Ausnahme bleiben, meinte Chereau; ein Spezialist auf diesem Gebiet wolle er nicht werden. Dazu ist auch gar keine Zeit, denn im Herbst hat er in Frankfurt noch viel Theaterarbeit vor sich („glücklicherweise nur Wiederaufnahmen“). Im Winter hofft er, mit den technischen Proben in Bayreuth beginnen zu können. Ob er darüberhinaus an den „Ring“-Vorbereitungen arbeiten kann, ist eine Besetzungsfrage: „Wenn ich beispielsweise Siegfried und Mime habe, kann ich mich an den ersten Akt .Siegfried' machen.“ Ab 1. Mai ist dann offizieller Probenbeginn im Festspielhaus.

Mit dem Theater kam der 1944 geborene Chereau früh in Kontakt. Er begann seine Laufbahn 1959 als Schauspieler und Regisseur an der Studiobühne des

Gymnasiums Louis Le Grand in Paris, dem er als Schüler angehörte. Einige seiner Inszenierungen wurden auf Studentenfestivals gezeigt (außer in Erlangen auch in Marseille und Nancy). 1966 übernahm Chereau für drei Jahre die Leitung des Theaters von Sartrouville, einer Trabantenstadt von Paris. Seine Produktionen gingen teilweise als Tourneegastspiel durch Frankreich und ins Ausland. Mit einer Inszenierung der „Soldaten“ von Lenz gewann er 1967 den ersten Preis im Wettbewerb junger Theatergruppen. Vor drei Jahren wurde er Direktor des Theatre National Populaire (zusammen mit Robert Gilbert und Roger Planchon), das in Lyon ein neues Domizil erhielt. Sein erster Spielfilm „La Chair de l'Orchi-dee“ (Das Fleisch der Orchidee) wurde im Jänner in Paris uraufgeführt und ist jetzt auch in deutscher Synchronisation angelaufen und von der Kritik überwiegend positiv besprochen worden. Frankreich und Italien waren bisher . Chereaus künstlerische Betätigungsregionen. „Darum kennt man mich in Deutschland nicht“, lächelte er beim Abschied. Immerhin aufsehenerregender als mit dem 76er „Ring“ in Bayreuth könnte er sich gar nicht einführen.

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