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Die Schweizer Inflation

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Obwohl sich der Nachfrageüberhang in der Schweiz in den ersten Monaten dieses Jahres kaum noch verstärkt haben dürfte — einige Anzeichen deuten eher auf eine gewisse Reduktion hin —, sind die Konsumentenpreise, wie es in dieser Spätphase des Booms nicht anders zu erwarten war, mit ständig höheren Zuwachsraten angestiegen. Ende Jänner übertraf der Landesindex der Konsumentenpreise den Vorjahresstand um 5,8 Prozent, Ende April bereits um 6,9 Prozent. Noch zu Beginn des letžten Jahres lieferten analoge Vergleiche relativ be-

scheidene Teuerungsraten von etwas mehr als 2 Prozent.

In dieser Entwicklung widerspiegeln sich zweifellos bis zu einem gewissen Grad die über die außenwirtschaftlichen Beziehungen ins Land getragenen Auswirkungen der ausländischen Lohn-, Kosten- und Preissteigerungen, doch weist sie in noch stärkerem Maße auf das Ungenügen der in der Schweiz getroffenen konjunkturpolltischen Maßnahmen hin. Die binnenwirtschaftliche Nachfrage hat trotz einem geringen Nachlassen gegenüber der Auslandnachfrage weiter an Gewicht gewonnen. Besonders augenfällig sind die Uberhitzungssymptome auf dem Bausektor. Nicht zu übersehen ist die eher stimulierende als dämpfende Haushaltspolitik der öffentlichen Hand.

In diesem Zusammenhang ist deshalb die neue konjunkturpolitische Aktivität des Bundes zu sehen, der vorerst Anfang Mai in einem „Hirtenbrief“ an die Kantonsregierungen appelliert hat, alle nicht dringlichen Bauten aufzuschieben, eine Prioritätsliste aufzustellen und im allgemeinen ein konjunkturgerechteres Verhalten einzuschlagen. Nicht nur

Appelle, sondern Vorschriften sind in dem vom Bundesrat soeben verabschiedeten und in der kommenden Session vom Parlament zu behandelnden Baubeschluß enthalten.

Isoliert betrachtet, dürfte die Aufwertung tendenziell vor allem zu einer Nachfragedämpfung in der Exportindustrie, zu einer Beeinträchtigung dės Fremdenverkehrsgeschäftes und zu einer stärkeren Position ausländischer Konkurrenten auf dem Schweizer Markt führen; relativ billigere Importe und geringere Nachfrage könnten eine Verlangsamung des Preisanstieges bewirken. Berücksichtigt man, daß sich andere relevante Daten in den kommenden Wochen und Monaten verändern werden, so ist es fraglich, ob die skizzierten Entwicklungen tatsächlich und deutlich sichtbar eintreten werden (sollten sie auisbfeiiban, so kann man anderseits annehmen, daß die Aufwertung einen noch ungünstigeren Verlauf verhindert haben dürfte). Gegenüber dem wichtigsten Handelspartner, der Bundesrepublik, sowie Österreich und den Nieder-

landen kommt die Aufwertung infolge der von diesen Ländern selbst getroffenen Maßnahmen praktisch nicht zum Tragen.

Nachfragedämpfend wird sich der Baubeschluß auswirken. Aber auch wenn alle Maßnahmen in optimaler

Weise wirken würden, ist nicht mit einer raschen Reduktion des Konsumentenpreisanstieges zu rechnen, da der zur Erreichung dieses Zieles günstigste Zeitpunkt der Vornahme konjunkturpolitischer Eingriffe verpaßt worden ist. Zudem werden von der Kostenseite mit großer Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft inflationäre Wirkungen ausgehen.

Auf ein gewisses Nachlassen der Auftriebskräfte ist aus der Entwicklung der gesamten Importe zu schließen, die im ersten Quartal im Vergleich zu den ersten drei Monaten des Vorjahres lediglich noch um gut 11 Prozent Zunahmen, gegenüber einer Zuwachsrate von fast 23 Prozent im ganzen vergangenen Jahr. Bei diesen Gegenüberstellungen ist allerdings zu beachten, daß in den entsprechenden Vorjahresperioden jeweils überdurchschnittlich hohe Wachstumsraten erzielt worden waren.

Eine relativ konstante, in der Tendenz leicht steigende Zuwachsrate weist die Konsumnachfrage auf. Die Kleinhandelsumsätze waren im ersten Quartal insgesamt rund 8,5 Prozent größer als im Vorjahr, in dem eine Zuwachsrate von gut 6 Prozent verzeichnet worden war.

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