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Die technische Revolution ist in Wirklichkeit eine Evolution

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„Schwarze Kunst am Ende“, „Arbeitslose programmiert“, „Die Kündigungen schreibt der Computer“, „Requiem in Blei“ - mit diesen und ähnlichen eingängigen Titelzeilen machten in jüngster Zeit Presse und Fernsehen auf die Tatsache aufmerksam, daß auch im graphischen Gewerbe Österreichs sowie in allen anderen Ländern der Welt, der Photosatz Einzug hält. Die eingangs beispielhaft zitierten drastischen Formulierungen, mit de- nen die meisten Berichte über diese technologischen Veränderungen überschrieben sind, vermitteln dem unbefangenen Leser den Eindruck, als würde in den Druckereien unseres Landes eine technische Revolution stattfinden. Sieht man sich die Sache jedoch genauer an, wird man sehr schnell erkennen, daß es sich hier um eine technische Evolution handelt, wie sie sich auch in vielen anderen Bereichen unseres Lebens vollzieht.

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„Schwarze Kunst am Ende“, „Arbeitslose programmiert“, „Die Kündigungen schreibt der Computer“, „Requiem in Blei“ - mit diesen und ähnlichen eingängigen Titelzeilen machten in jüngster Zeit Presse und Fernsehen auf die Tatsache aufmerksam, daß auch im graphischen Gewerbe Österreichs sowie in allen anderen Ländern der Welt, der Photosatz Einzug hält. Die eingangs beispielhaft zitierten drastischen Formulierungen, mit de- nen die meisten Berichte über diese technologischen Veränderungen überschrieben sind, vermitteln dem unbefangenen Leser den Eindruck, als würde in den Druckereien unseres Landes eine technische Revolution stattfinden. Sieht man sich die Sache jedoch genauer an, wird man sehr schnell erkennen, daß es sich hier um eine technische Evolution handelt, wie sie sich auch in vielen anderen Bereichen unseres Lebens vollzieht.

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Wie aber sind diese erschreckten Reaktionen zu erklären? Vielleicht weil es nach der Erfindung Gutenbergs mehr als 400 Jahre dauerte, bis mit der Setzmaschine von Ottmar Mergentha- ler zum Ende des 19. Jahrhunderts ein erster deutlicher Mechanisierungsschritt im Bereich derSatzherstellung gelang. Noch blieb man aber dem Blei treu. Erst die enormen Fortschritte im Bereich der Elektronik bereiteten den Weg zur Abkehr vom Blei. Sie machten zu Ende der sechziger Jahre den Photosatz praxisgerecht. Bis dahin waren zwar bereits jahrelang in den einschlägigen Fachzeitschriften unzählige Abhandlungen zum Thema Photosatz publiziert worden, Eingang in die Betriebe findet diese neue Technologie aber erst, seit durch intensive Nutzung der Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung der Photosatz ähnlich einfach zu handhaben ist wie der Bleisatz.

Neben der Elektronik ist der Flachdruck als Wegbereiter für den Photosatz zu nennen. Weitgehend unbe-

merkt von der breiten Öffentlichkeit und ohne spektakuläre Berichte in den Massenmedien, hat in den letzten zehn Jahren eine deutliche Verlagerung der Produktion vom Hochdruck in den Flachdruck stattgefunden. Durch die technischen Fortschritte, die beim Flachdruck erzielt werden konnten, wurde es möglich, immer mehr Produkte im Flachdruck nachfragegerechter als im Hochdruck zu produzieren. Für die Herstellung der im Flach-

druck erforderlichen Druckform wiederum ist der Photosatz die günstigere Satztechnologie.

Wie sieht es nun konkret mit der Einführung der neuen Satztechnologien in Österreich aus? Nach einer Untersuchung des Hauptverbandes der gra-

phischen Unternehmungen werden zur Zeit rund 22 Prozent des gesamten Satzaufkommens im Photosatz produziert. Dieser Anteil des Photosatzes am gesamten Satzvolumen wird sich nach den Investitionsabsichten der österreichischen Drucker bis 1981 auf 35 bis 40 Prozent erhöhen. Diese durchaus evolutionäre Entwicklung hat mehrere Gründe.

Ein erster Grund i$t ir der Betriebs- größenstruktur deä ( graphischei) Ge werbes zu finden. Einer großen Zahl von Klein- und Kleinstbetrieben steht eine geringe Zahl von Mittel- und Großbetrieben gegenüber (siehe Tabelle im Kasten). Für die Auftragsstruktur des Kleinbetriebes aber ist selbst heute der Photosatz keineswegs der vorhandenen Bleisatzeinrichtung auf alle Fälle wirtschaftlich überlegen. Überdies ist die Eigenkapitaldecke dieser Betriebe, Wie jüngste Erhebungen gezeigt haben, nicht so beschaffen, daß eįne Umstellung auf Photosatz - die ja auch im Druck Folgeinvestitionen nach sich zieht - von heute auf morgen zu verkraften ist.

Ein weiterer Grund für eine nur allmähliche Ausbreitung des Photosatzes in Österreich ist die personalpolitische Komponente einer solchen Investition. Sie besteht im Klein- und Mittelbetrieb im wesentlichen darin, daß von den bisher im Bleisatz tätigen Mitarbeitern die Bereitschaft gefordert werden muß, sich andere Arbeitsmethoden anzueignen. Nach bisherigen Erfahrungen zeigt sich, daß die aus der Ablehnung der Umstellung auf Photosatz entstehenden innerbetrieblichen Spannungen meist schnell überwunden werden können. Allzu rasch lernen die Mitarbeiter die Vorteile, die der Photosatz für sie hat, zu schätzen: Zurück zum Blei will keiner mehr!

Ganz anders stellt sich dieses Problem allerdings im Großbetrieb, spe ziell im Zeitungsbetrieb. Für diese Unternehmen ist es sicherlich von existentieller Bedeutung, Produktionswege zu beschreiten, die eine kostengünstigere und gleichzeitig schnellere Zeitungsproduktion ermöglichen. Eine schnellere Produktion, um den elektronischen Medien Paroli bieten zu können. Eine kostengünstigere Produktion, um die unabhängige Existenz der Zeitung zu sichern. Die Elektronik bietet heute ein solch schnelles und kostengünstiges Produktions system: das integrierte Redaktionsund Satzsystem.

Wann ein erstes System dieser Art in Österreich eingeführt wird, läßt sich nicht Vorhersagen. Der Zeitpunkt wird davon abhängen, wann eine befriedigende Lösung der Frage gefunden wird: Was geschieht mit den freiwerdenden Arbeitskräften? Um die Beantwortung dieser Frage wird bereits in einem Gesprächsforum der Sozialpartner gerungen. Noch liegen die Vorstellungen weit auseinander. Ein gangbarer Weg wird nur dann gefunden werden können, wenn die Arbeitnehmervertreter von ihrem „Hei- zer-auf-der-E-Lok-Denken“ abrücken.

Wie weit die technologischen Veränderungen im Satzbereich Einfluß auf die Struktur des graphischen Gewerbes haben, läßt sich für Österreich noch nicht beantworten. Erfahrungen aus den USA und der BRD zeigen allerdings, daß die neuen Satztechniken bisher keinen Einfluß auf den Anteil der Klein-, Mittel- und Großbetriebe an der Gesamtzahl der Betriebe haben. Für die überschaubare Zukunft läßt sich sagen, daß das graphische Gewerbe trotz der Veränderungen seine Nahversorgungsfunktionen und seine überregionalen Versorgungsfunktionen wie bisher erfüllen wird.

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