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Pensionen & Gemeinwohl

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Selbst die Regierung gibt zfi, daß die Pensionsreform, die jetzt verabschiedet werden soll, nur Stückwerk ist und noch stärkere Eingriffe ins System der sozialen Sicherheit bald notwendig sein werden.

Dabei geht es nicht nur um das Schicksal dieser oder einer kommenden Regierung, am Prüfstand steht die Fähigkeit unseres politischen Systems, als dringend und unausweichlich erkannte Reformen auch durchzusetzen. Und das nicht nur gegen den Widerstand gut organisierter und mächtiger Interessengruppen, sondern vor allem gegen ein allge* meines Bewußtsein, das solche Änderungen prinzipiell für ungerecht hält. Der sonst im Leben durchaus akzeptierte Zusammenhang von möglichen Ausgaben mit vorher erzielten Einnahmen soll im Bereich der sozialen Sicherheit nicht gelten.

Das einzige Eigentum, das heutzutage ohne schlechtes Gewissen genossen werden darf, sind die Ansprüche an die öffentlichen Sozialkassen. Das erklärt, warum die Auseinandersetzung um die Pensionsreform mit solcher Härte und'höchstem politischem Einsatz geführt wird. Es geht um etwas, was die Menschen für ihr Eigentum halten. Wer daran etwas ändern will, nimmt ihnen etwas weg, was ihnen „gehört”. Nicht durch Zufall spielen die „wohlerworbenen Rechte” eine zentrale Rolle in dieser Retrach-tungsweise.

Da unser Pensionssystem aber im Umlageverfahren finanziert wird und nicht auf dem Versicherungssystem beruht, können vermeintliche Ansprüche und unverbrüchliche Rechte immer nur relativ gelten, nämlich so lange genug Geld für die permanente Umverteilung vorhanden ist. Der staatliche Zuschuß zu den Pensionen kann doch wohl nicht als ein wohlerworbenes Recht gelten, denn womit, müßte man dann fragen, haben sich die Beamten das „Recht” erworben, daß der Staat im Schnitt zu ihrer Pension 14.000 Schilling dazuzahlt, während er sich eine durchschnittliche ASVG-Pensi-on 1.100 Schilling kosten läßt.

An sich läßt sich die Problematik auf eine einfache Formel bringen: Rei noch immer steigender Lebenserwartung, noch immer fallendem Pensionsantrittsalter und bestenfalls stagnierender Geburtenrate können Renten in der heutigen Höhe nicht mehr lange bezahlt werden. Aber auf diese sachliche Ebene haben sich Gewerkschaften und andere Organisationen, die im Interesse der Arbeitnehmer sprechen, wohlweislich nie begeben. Sie haben sich statt dessen ein ganzes Arsenal von Regriffen zugelegt, mit denen Sachlichkeit vorgetäuscht werden soll - vom „Vertrauensschutz”, den „wohlerworbenen Rechten” bis zur Fiktion der „Lebensverdienstsumme” .

Erzbischof Schönborn hat kürzlich ein fast vergessenes Prinzip aus der Katholischen Soziallehre in Erinnerung gerufen und es als Maßstab sozialen Handels empfohlen: Das Gemeinwohl. Auch wenn dieses Wort schon fast anstößig klingt - es ist genau das und nur das, worauf die Regierung eigentlich verpflichtet ist.

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