Ukraine: Vom Ringen um einen gerechten Frieden
Es bleibt die Aufgabe der Kirche, zur Überwindung des Krieges aufzurufen – ohne Aggression seitens Russlands hinzunehmen oder gar ihr „Ministrant“ zu sein. Ein Gastkommentar zur Friedensethik à la Franziskus.
Es bleibt die Aufgabe der Kirche, zur Überwindung des Krieges aufzurufen – ohne Aggression seitens Russlands hinzunehmen oder gar ihr „Ministrant“ zu sein. Ein Gastkommentar zur Friedensethik à la Franziskus.
Das Bild der weißen Fahne, das Papst Franziskus kürzlich in einem Interview aufgriff, löste einen Sturm medialer Entrüstung aus. Die Mehrheit der Kommentare warf dem Papst vor, für die Kapitulation der Ukraine einzutreten und damit die westliche Wertordnung an Putins Imperialismus zu verraten. Eine kleine Minderheit hat umgekehrt die Worte des Papstes für eine absolut pazifistische Haltung zu vereinnahmen versucht. Beide Zugänge missverstehen den Papst und verkennen die für eine christliche Friedensethik erforderliche Aufgabenteilung zwischen politischen Ordnungskräften und der Kirche.
Mit der weißen Fahne wollte Franziskus sein Eintreten für Verhandlungen unterstreichen, ohne zur Kapitulation der Ukraine aufzurufen. Für die politischen Realisten ist diese Position inakzeptabel, weil sie sich vom Papst die uneingeschränkte Unterstützung des militärischen Widerstands erwarten. Sie übersehen dabei aber, dass die Päpste sich nicht mehr als „Kapläne der NATO“ verstehen. Was für Pius XII. noch zutraf, ist seit dem Konzil undenkbar geworden. Eine Vermischung von Kirche und politischen Ordnungskräften käme einem Verrat am Evangelium gleich. Zurecht warnte Franziskus den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. davor, als „Ministrant Putins“ dessen Angriffskrieg zu rechtfertigen. Falsch ist es aber auch, Franziskus als absoluten Pazifisten zu verstehen und zu verschweigen, dass er schon im Herbst 2022 Waffenlieferungen an die Ukraine unter Einhaltung strenger Kriterien für legitim erklärte.
Wider die Normaliserung des Krieges
Das Osterfest bietet sich ausdrücklich an, um Grundlinien einer Friedensethik zu skizzieren, die weder die gegebenen Machtverhältnisse einfach widerspruchslos hinnimmt noch in sektiererischer Abgesondertheit Augen und Herz vor den Herausforderungen unserer Welt verschließt. Das Zweite Vatikanische Konzil rief dazu auf, im Lichte von Ostern – wozu der Friedensgruß des Auferstandenen gehört – in Christus die höchste Berufung der Menschen zu erkennen. Christus verkörpert nicht ein unerreichbares Ideal, sondern zeigt uns, dass wir Menschen zum „Weg der Liebe“ gerufen sind und dass der „Versuch, eine allumfassende Geschwisterlichkeit herzustellen, nicht vergeblich ist“ (Gaudium et spes 38).
Es ist die bleibende Aufgabe der Kirche, diesen österlichen Blick einzunehmen und vorzuleben. Friedensethisch bedeutet das, sich jeder Normalisierung oder Naturalisierung des Krieges entgegenzustemmen und die vorrangige Option für die Gewaltfreiheit zu fördern. So verstehe ich Papst Franziskus, wenn er – wie schon Johannes Paul II. vor ihm – jedem Krieg ein „Nein“ entgegenhält, weil er „immer eine Niederlage der Menschheit“ ist. Es ist Pflicht der Kirche, die Menschen zur Überwindung des Krieges aufzurufen.
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