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Ein Bacher für die Staatstheater

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Seine politischen „Standpunkte" legt Alois Mock in einem demnächst erscheinenden Buch dar. Die Diskussionsanstöße setzen gleichzeitig auch neue Akzente in der Politik.

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Seine politischen „Standpunkte" legt Alois Mock in einem demnächst erscheinenden Buch dar. Die Diskussionsanstöße setzen gleichzeitig auch neue Akzente in der Politik.

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Ist es legitim, daß das Steuergeld des Donawitzer Stahlarbeiters, des Zillertaler Bergbauern und der Trafikantin aus Lienz dem Wiener Bundestheaterpre-mierenpublikum zugute kommt?

Wohl nur, wenn auch zu einem Mindestmaß gewährleistet ist, daß alle Österreicher durch Fernsehübertragungen oder Theatertourneen Zugang zü diesen Aufführungen haben. Und auch nur,

wenn es Garantien dafür gibt, daß Steuermittel in Milliardenhöhe vernünftig und verantwortungsvoll eingesetzt werden.

Uberlegt man sich alle diese Probleme, liegt der Gedanke nicht fern, für die Einrichtung der Bun-destheater eine Organisationsform zu suchen, die eine sparsame und wirtschaftliche Geschäftsführung bei hohem künstlerischen Niveau besser als bisher gewährleistet.

Ich könnte mir vorstellen, daß eine Konstruktion ähnlich jener des Rundfunkgesetzes die Gestion der Bundestheater auf eine neue Grundlage stellen würde: ein Generalintendant mit weitgehenden Führungsbefugnissen, der sich aber jederzeit vor einem Kuratorium, das mit wirksamen Kontrollrechten ausgestattet ist, verantworten muß. So könnte unternehmerische Dynamik mit öffentlich-rechtlicher Kontrolle verbunden werden. Derzeit aber sind wir mit einer Aufblähung der Verwaltung in der zentralen Leitung wie in einzelnen Direktionen konfrontiert.

Im Zusammenhang mit Oper, Musik und Theater möchte ich kurz auf ein weiteres Vorurteil

eingehen: Man unterstütze in Österreich vor allem die „bloß" nachvollziehenden darstellenden Künste, für die wirklich „kreative" Leistung der bildenden Künste aber sei kein Geld vorhanden.

Die Behauptung eines solchen Gegensatzes ist so öffentlichkeitswirksam und vordergründig plausibel wie fälsch. Vom finanziellen Aspekt her ist einzuwenden, daß bildende und darstellende Künste in gleicher Weise auf ein zahlendes Publikum und auf staatliche Förderung angewiesen sind.

Die Kunstförderung öffentlicher Stellen wird hier immer überfordert sein. Daher schlage ich vor, durch steuerliche Erleichterungen zusätzliche private Mittel zu mobilisieren. Grundlage auch dafür bleibt aber eines: kulturelles Interesse und persönliche Aufgeschlossenheit.

Für eine demokratische Kultur-

politik geht es daher nicht darum, daß jeder seinen Waldmüller, Picasso oder Wotruba im Wohnzimmer hat und zweimal im Jahr die Staatsoper besucht. Kultur findet nicht nur im Konzertsaal, im Theater oder Museum statt, sondern Kultur ist ein Prinzip der Lebensgestaltung, und zwar der Gestaltung aller konkreten Lebensbereiche — der Arbeit, der Freizeit, der Feste, des Wohnens, der Stadt- 'und Landschaftsgestaltung. Auf allen diesen Gebieten müssen wir Kultur entfalten und fördern.

Kulturpolitik betrifft daher nicht aufgesetzten Pomp und äußerlichen Luxus als Kontrast zum Alltagsleben, sondern Kulturpolitik und besonders christlich-demokratische Kulturpolitik ist im wesentlichen Vermenschli-

chungspolitik: sie zielt auf die Entfaltung des geistigen, seelischen und körperlichen Potenti-

als der Persönlichkeit. Viele Anlagen und Begabungen des einzelnen Menschen bleiben durch materielle Orientierung der heutigen Gesellschaft unentdeckt und unentwickelt, viele hoffnungsvolle Ansätze werden wieder verschüttet.

Es wäre schon ein großer Gewinn, das Verhältnis zwischen dem Potential der Anlagen, das in jedem Menschen steckt, einerseits und der Verwirklichung dieses Potentials andererseits nur um ein weniges zu verbessern. Das zum Sprechen, zum Klingen, zum Ausdruck zu bringen, was in vielen Menschen schweigend schlummert, wäre ein enormer kultureller Fortschritt und gäbe vielen Menschen eine fruchtbare Selbstbestätigung und einen positiven Lebenssinn.

Auch in der Kulturpolitik geht es heute nicht um quantitatives Wachstum, sondern um die Qualität dieses Wachstums. Auch hier geht es also nicht um mehr Kulturkonsum, sondern um mehr Kreativität in der konkreten Gestaltung der eigenen Lebensumstände und der unmittelbaren sozialen Umgebung.

Das Ziel einer neuen Kulturpolitik ist meiner Vorstellung nach nicht ein Volk von Konzertabonnenten und versierten Kunstkritikern, sondern ein Volk von musisch interessierten, ausdrucks-und gestaltungsfähigen Menschen, die Kunst nicht nur konsumieren, sondern aktiv ihre eigene Gestaltungskraft und Kreativität entwickeln, um ihre Lebenswelt individueller, ästhetischer und damit vollmenschlicher zu gestalten.

Auszugsweiser Vorabdruck aus: STANDPUNKTE. Von Alois Mock. StyrU-Verlag. Graz 1982. 203 Seiten, Ln., ca. öS 198,-%

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