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Ein Zug ohne Ende

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„Im Bewußtsein der Christen von heute ist die Nachfolge Christi „bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz“ in den Hintergrund getreten. Das Martyrium ist eines jener christlichen Paradoxa, mit denen der moderne Rationalismus am wenigsten anzufangen weiß. Ein humanistisch verflachtes Christentum stößt sich daran, daß die „ .Torheit des Kreuzes Kraft und Weisheit Gottes ist.' Und doch sind gerade in den letzten 30 Jahren unzählige Christen vor die Entscheidung gestellt worden, sich anzupassen und Kompromisse zu schließen oder aber Christus bedingungslos die Treue zu halten, auch wenn die Konsequenz Verfolgung, Kerker, ja Tod heißt“, schreibt Kardinal König im Vorwort dieses „Martyriologiüms“, das zeigen soll, daß sich der Zug der Bekenner und Märtyrer seit den Zeiten der Ur-kirche ohne Unterbrechung bis in unsere Tage fortbewegt hat. '

„Sie sind weitgehend unbekannt“, meint der Autor, obwohl ihre Geschichten für abendfüllende Spannung sorgen würden. Von Bonhoeffer, Delp und Kolbe weiß man heute auch in weiteren Kreisen - von Romza, Durcovici und Bossilkoff kaum. Die ersteren werden heute als Zeugen dafür angeführt, daß es auch unter Hitler Menschen gab, die nicht mitmachten. Die anderen erinnern zu sehr an die auch heute noch andauernden Kirchenverfolgungen im kommunistischen Osten - und daran zu denken, ist heute nicht schick. Aber der Zug der Märtyrer zieht nicht nur durch kommunistische Länder.

52 „Stories“ reiht Hamburger aneinander. Lebensgeschichten von Bekannten - Mindszenty, Slipyi, Stepi-nac - und Unbekannten, von afrikanischen Nonnen, kolumbianischen Priestern, ebenso wie von russischen Laien, von Katholiken, Protestanten, Baptisten, Orthodoxen, Unierten. Von Menschen, die ihre Treue zu Gott mit dem Leben bezahlen mußten, und anderen, die noch leben oder von deren Schicksal man nichts weiß.

Und von solchen, die erst 24 Jahre nach ihrem Tod aus dem päpstlichen Handbuch gestrichen werden konnten, als die Gewißheit ihres Todes vorlag.

„Zur geschichtlichen Wahrheit gehört, festzustellen, daß der größte Christenverfolger unserer Zeit, der Diokletian samt Hitler glatt an die Wand spielt, die Sowjetunion ist. Gleich hinter ihr rangiert die Volksrepublik China. Ihnen folgen andere kommunistische Staaten, aber auch rechte Diktaturen in Südamerika und Asien oder Länder wie Idi Amins Uganda. Unmenschlichkeit und Christenhaß sind keine Privüegien einer bestimmten Ideologie“, stellt Hamburger fest.

Einer unter ihnen allen zeugt für jene moderne Art des Martyriums, die den eigenen guten Namen, das Vertrauen der eigenen Anhänger auf den Opferaltar legt, um „zu retten, was zu retten ist“ -eine Formulierung, die der Autor nur mit Skepsis gelten läßt. Sicherlich oft genug berechtigt- „ein gefährlicher Weg, auf dem sich die Grenzen zwischen Klugheit und Feigheit ebenso verwischen wie jene zwischen ehrlichem Engagement und schändlichem Verrat. Es ist ein Weg im Zwielicht“. Aber doch wohl auch ein Phänomen, bei dem über Spreu oder Weizen im Einzelfall erst die Geschichte -und der letzte Richter - entscheiden werden. Ob der Metropolit von Leningrad, Nikolai Jaruschewitsch, während des Krieges einer der eifrigsten Helfer Stalins, zwanzig Jahre später selbst Opfer der Verfolgung, hier der optimale Kronzeuge ist, oder ob nicht eher einer jener Friedenspriester wider Wülen der ersten. Nachkriegszeit repräsentativer gewesen wäre, muß der Entscheidung des Autors überlassen bleiben.

VERFOLGTE CHRISTEN. Berichte aus unserer Zeit, Von Gerd Hamburger, Verlag Styria, 1977, 351 Seiten, öS 198,-

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