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Eine Alternative zu Brodas Mietenkonzept

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Alle Kontrahenten dürften sich nun zur Überzeugung durchgerungen haben, daß etwas geschehen müsse - nur was geschehen soll, ist weiterhin kon- troversielL Für Brodas unrealistisches Konzept (siehe „DIE FURCHE“ vom 29. 7.) scheint sich nicht einmal die sozialistische Mietervereinigung erwärmen zu können. Im allgemeinen dürfte sich doch die auch von der „FURCHE“ vertretene Meinung durchsetzen, daß nicht so sehr der Reparaturbedarf als die gebotene Wohn- qualität als Kriterium für die Zinsbü- dung angesehen werden sollte.

Der ÖVP-nahe Mieter- und Siedlerbund hat auf der Suche nach einem objektiven Kriterium nun die sogenannte „Nutzwertberechnung“ entdeckt. Die Sache hat nur einen Haken: Diese Berechnung müßte in den meisten Fällen erst von den Behörden durchgeführt werden. In Wien braucht die zuständige Magistratsabteilung dafür im allgemeinen zwei Jahre. Eine Tageszeitung meinte süffisant, es würden wohl ein paar tausend Jahre vergehen, bis die „Nutzwertmiete“ für alle Altwohnungen errechnet ist. Mag sein. Eine Ausnahme werden zweifellos die Gemeindehäuser bilden, für welche die Berechnungen wahrscheinlich sehr schnell erfolgt sein würden.

Um auf weniger bürokratischem Weg zu einem Kriterium zu kommen,

würde sich als Basis für die Neuberechnung der Mieten der Einheitswert anbieten. Allerdings erfolgte die Erstellung der Einheitswerte bisher immer ziemlich willkürlich und nach sehr differenzierten Gesichtspunkten, so daß auf dieser Basis Mietengerechtigkeit nicht erzielt werden dürfte.

Die beste Lösung wäre wohl ein bereits vor vielen Jahren gemachter Vorschlag, welchen man offenbar in der Zwischenzeit vergessen hat, was nunmehr zur Fiktion führt, daß man mit dem Problem einer Objektivierung der Altmieten totales Neuland betreten würde und erst mühevoll neue Ideen erarbeiten müßte. Dieser vergessene Vorschlag war ein Punktesystem: Als Basis wäre die Substan- dard-Wohnung im „Bassena-Haus“ anzunehmen, wobei für jeden Vorteil dieser gegenüber - sowohl was die Wohnung selbst als auch das Haus und die Wohngegend betrifft - ein oder mehrere Punkte aufgeschlagen würden.

Diese Aufschläge müßten groß genug sein, um der Hausinhabung den Anreiz zu bieten, Vef besserungsarbeiten durchzuführen. Gerade die Tatsache nämlich, daß von den Hausinhabungen durchgeführte Verbesserungen der Wohnqualität - sei es für die einzelne Wohnung, sei es für das ganze Haus (Lift, Zentralheizung, Hausgärten usw.) - bisher auf die Zinshöhe ohne Einfluß geblieben sind, hat ja dazu geführt, daß der Wohnungsstandard im Altbau auf dem Niveau von 1914 eingefroren ist.

Ein derartiges Punktesystem würde die Möglichkeit einer unbürokratischen Festsetzung der neuen Mieten bieten. Die Behörden und Gerichte müßten nur in jenen Fällen eingeschaltet werden, in denen die Interpretation einzelner Punkte kontroversiell ist. Je detaillierter und exakter diese aber erstellt wurden, desto weniger Streitfragen werden sich ergeben.

Selbstverständlich dürften Verbesserungsarbeiten, welche die derzeitigen Mieter selbst durchgeführt haben, nicht für die Zinsberechnung ins Kalkül gezogen werden. Allerdings wird es sich für die Praxis empfehlen, einen Stichzeitpunkt festzulegen, da über Jahrzehnte hinweg wohl kaum mehr der Urheber der Einbauten eruiert werden kann.

Um derart delikate und schmerzhafte Operationen, wie sie Mietenreformen sind, in Zukunft möglichst zu vermeiden, wird es sich auch empfehlen, eine Indexbindung für die neu festgesetzten Mieten einzuführen. Eine sukzessive Hinaufsetzung parallel zur jeweiligen Inflationsrate ist zweifellos leichter zu ertragen als abrupte Erhöhungen.

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