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Eine Premiere

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Die Welt feiert eine Premiere: die erste vertraglich vereinbarte Zerstörung einer ganzen Atomwaffenkategorie. Zwischen 7. und 10. Dezember wird in Washington Weltgeschichte geschrieben werden.

Beide Seiten werden innerhalb von drei Jahren alle ihre nuklearen Mittelstreckenwaffen (INF) vernichten: 388 Trägersysteme die USA, €48 die UdSSR, zusammen 1855 Sprengköpfe. Es empfiehlt sich, im Zusammenhang damit einige Fakten nüchtern zu bedenken:

1. Der INF-Vertrag ist kein Geschenk des Himmels oder einer Friedenslaune der Weltbeherrscher, sondern Ergebnis langer, mühsamer und komplizierter Verhandlungen, bei denen es beiden Seiten um eigene Interessen ging. Lehre: Realistische Interessenpolitik ist besser als das bestgemeinte Träumen.

2. Die doppelte Null-Lösung als Ziel der Politik hat als erster Ronald Reagan am 18. November 1981 verkündet. Dies als Erinnerungshilfe für jene, die glauben, alles Gute komme derzeit nur von Gorbatschow. Aber ohne diesen wäre auch nichts gegangen.

3. Zur Premiere gehört nicht nur der erste Waffenabbau, sondern auch der erstmals vereinbarte Uber-wachung sprozeß: An 130 geografischen Punkten der UdSSR und an 30 der USA werden Experten der jeweiligen Gegenseite Nachschau halten können; das Deckenlupfen hat bereits begonnen.

4. Insgesamt werden nur rund vier Prozent aller Atomsprengköpfe verschrottet werden. Zu hoffen ist daher, daß die Verhandlungen zügig weitergehen und auch zu tiefen Schnitten ins Arsenal der strategischen Langstreckenwaffen beider Supermächte führen werden. Die Bereitschaft beider Regierungen ist gegeben — aber bei Gorbatschow bremsen viele Generäle, bei Reagan neben diesen auch noch konservative Parlamentarier.

5. Reagan muß daher weitere Zuckerl auf den Christbaum hängen können: ein Russenversprechen etwa, aus Afghanistan abzuziehen. Dafür wird Gorbatschow aber als Gegenleistung neuerlich ein Nachgeben beim ,J[rieg der Sterne“ haben wollen. Es wird sich also noch vieles oftmals spießen.

6. Mit dem Verschwinden von Atomwaffen verschwindet nicht das Sicherheitsbedürfnis beider Supermächte und ihrer Alliierten. In der herkömmlichen Rüstung hinkt der Westen dem Osten nach. Werden die NATO-Länder tief in ihre Taschen greifen?

7. Viel Geduld ist also noch vonnöten. Aber die These, die Menschheit steuere unaufhaltsam auf die selbstgemachte apokalyptische Katastrophe zu, wankt halt doch wieder einmal heftig.

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