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Fest des Wortes

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,Jm Anfang war das Wort... Und das Wort ist Fleisch geworden.“

„Wort“ sagt unsere Ubersetzung zum ,J-.ogos“, den Johannes in seinem Evangeliumsprolog zitiert. Die griechische Philosophie, die den Kosmos als geordnetes Ganzes verstand, bezeichnete mit Logos das die Welt beherrschende Vernunftsprinzip, den Urgrund alles Seienden, das Prinzip des Lebens.

Erstmals begegnen wir diesem Logosgedanken schon in früheren indischen und ägyptischen Seinsvorstellungen. Die hebräische Philosophie hat ihn weiterentwickelt: Logos als göttliche Weisung, Tora.

Johannes knüpft, indem er Christus zum fleischgewordenen Logos erklärt, an den sprechenden Schöpfergott im ersten Buch Moses an: ,J.m Anfang schuf Gott Himmel und Erde“, dann sprach“ er: „Es werde Licht.“ Und: ,Jaßt uns den Menschen schaffen...“

Gott spricht — zuerst zu sich, dann zum Menschen, dann zu seinem Volk, dann zu allen Völkern der Erde durch seinen Sohn.

Diese Urgewalt des Seins soll mit „Wort“ richtig wiedergegeben werden? Schon Goethes Faust verspürt dieses Ungenügen, sinnt darüber nach, ob es nicht ,Jm Anfang war der Sinn“ oder „die Kraft“ oder „die Tat“ heißen sollte.

Die christliche Bibelübersetzung ist beim „Wort“ geblieben. Sie zollt damit der Sprache ihren Tribut, die in der Tat den göttlichen Funken im Gattungswesen Mensch entzündet hat.

Alles Leben ist Weitergabe von Information. Aber erst als zum Transfer von genetischer Information in den Chromosomen auch die Sprache kam, war die Weitergabe von intellektueller Information möglich.

Die Sprache hat aus dem Tier einen Menschen gemacht. Die Sprache ermöglichte die Weitergabe von Erfahrung, erlaubte damit das Verkümmern von Instinkt und das .JDazubauen“ von Künstlichem zur Natur, was den Menschen erst zur Krönung der Schöpfung machte.

Sprache spiegelt Denken, Wollen, Seele wider. Deshalb drücken unterschiedliche Sprachbilder unterschiedliche Volks- und Kulturmentalitäten aus.

Deshalb auch ist die Macht des Wortes groß: Es tröstet, baut auf, zerstört, läßt Hoffnung wie Verzweiflung sprießen, das Wunder der Liebe und das Elend des Hasses blühen. Das Wort stiftet sakramentale Gnade, ein Wort wird dereinst jedem ewiges Heil oder Unheil künden.

Weihnachten ist auch ein Fest wider die Entwertung des Wortes.

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