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Frankreichs eigene Wege

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Die internationale Krisensituation, die die Welt von Woche zu Woche mehr beunruhigt, hat in Paris wieder einmal die dringende Frage aufgeworfen: Ist Frankreichs Fünfte Republik imstande, sich selbst zu verteidigen, oder soll sie sich in ihren Sicherheitsanstrengungen wieder enger an das nordatlantische Bündnis anlehnen?

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Die internationale Krisensituation, die die Welt von Woche zu Woche mehr beunruhigt, hat in Paris wieder einmal die dringende Frage aufgeworfen: Ist Frankreichs Fünfte Republik imstande, sich selbst zu verteidigen, oder soll sie sich in ihren Sicherheitsanstrengungen wieder enger an das nordatlantische Bündnis anlehnen?

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Ein verteidigungspolitisches Ziel hatte sich bereits der Begründer der Fünften Republik, General de Gaulle, gesetzt, das jetzt auch seine Nachfolger anstreben: Die französische autonome Streitmacht müsse unbedingt glaubwürdig wirken. Niemand dürfe am Willen der Staatsführung zweifeln, daß im Falle eines Angriffes auf Frankreich ein atomarer Vergeltungsschlag gegen den potentiellen Gegner einsetzen würde.

Eines haben die französischen Staatsmänner jedoch nicht in aller Öffentlichkeit diskutiert: Daß Frankreich trotz eigener Bomben gezwungen ist, den amerikanischen „Atomschirm", den die Vereinigten Staaten ihren alliierten europäischen Mächten zur Verfügung stellen, ebenfalls für sich selbst in Anspruch zu nehmen.

Obwohl Paris 1966 die militärische Mitarbeit bei der NATO kündigte, ist es weiterhin Mitglied. Es gibt auch noch immer zahlreiche Querverbindungen zwischen dem nordatlantischen Verteidigungsbündnis und der französischen Armee. So schlössen die NATO-Generalstäbe mit den französischen Armeechefs zahlreiche Verträge. Zweck dieser Übereinkünfte: Die westliche Sicherheit soll unter französischer Mithilfe gewährleistet werden, selbst wenn Paris eigene Wege in seiner Verteidigungspolitik geht.

Hintergedanke der französischen Verteidigungsplaner ist dabei die Intention, ihr Land nicht an den eigenen Grenzen verteidigen zu müssen. Ein eventueller Angriff soll soweit wie möglich vom Mutterland entfernt abgefangen werden.

Wenn man die öffentliche Meinung zu Frankreich mit Hilfe verschiedener demoskopischer Umfragen auslotet, glauben heute 29 Prozent der Franzosen, daß sich ihr Land aus einem internationalen Großkonflikt heraushalten könnte. 65 Prozent dagegen sind der Ansicht, daß Frankreich von einer solchen Auseinandersetzung ebenfalls betroffen wäre.

Was das Vertrauen in Nuklearwaffen anbetrifft, meinen 39 Prozent der Bürger, die eigenen Atombomben seien wichtiger Bestandteil der französischen Verteidigungsanstrengungen. 51 Prozent wiederum glauben, Frankreich erwachse daraus keine zusätzliche Sicherheit.

Seit Sommer vergangenen Jahres haben sich zahlreiche Politiker mit den verschiedenen Aspekten der französischen Atombewaffnung beschäftigt. 50 Uberschall-schnelle Kampfflugzeuge des Typs „Mirage" können als Atomwaffenträger eingesetzt werden. In der Nähe der ehemaligen Papststadt Avignon befinden sich in 18 Raketensilos atomare Waffen, die mit je einem Sprengsatz bestückt sind. Beide Systeme sind aber schon etwas veraltet, deshalb wurde auch der Bau von Atom-Unterseebooten in den letzten Jahren stark forciert.

Gegenwärtig besitzt die Marine fünf einsatzbereite nukleare U-Boote, zwei davon sind jederzeit in der Lage, wichtige Städte eines potentiellen Gegners zu vernichten. 1982

soll ein weiteres Nuklear-U-Boot vom Stapel laufen.

Wie weit aber kann die nationale Verteidigung Frankreichs auch für die Partner innerhalb der EG nützlich sein? Nach Ansicht französischer Experten kann Europa sich nur sicher fühlen, wenn es in seiner Verteidigung vollkommen unabhängig ist. Präzise Vorschläge der französischen Regierung zur europäischen Verteidigung liegen allerdings noch keine vor.

Trotzdem glauben die französischen Militärs, daß ihr Land bis zum Jahr 2000 von einem nationalen zu einem europäischen Verteidigungsdenken kommen muß und kommen wird. Und in dieser Beziehung wurden auch schon erste Ansätze sichtbar.

So hat einer der härtesten Nationalisten, der ehemalige Generalsekretär der gaullistischen Bewegung, Alexandre Sanguinetti, im August 1979 vorgeschlagen, die Konstruktion einer deutsch-französischen Atombombe ins Auge zu fassen. Die meisten seiner Parteifreunde, besonders der ehemalige Ministerpräsident Debre, sind aber vorläufig noch absolut dagegen.

Die militärisch-technische Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland, die sich von Jahr zu Jahr verstärkt (man denke an das Projekt eines deutsch-französischen Kampfpanzers), lassen die Befürworter einer engeren militärischen Kooperation in Westeuropa trotzdem mit einem gewissen Optimismus in die Zukunft blicken. Und daß, obwohl die französischen Kommunisten wie die Gaullisten nicht daran denken, die französische Atomrüstung mit der Bundesrepublik zu teilen, die innenpolitische Situation Frankreichs also eher als ein Hindernis für eine engere Zusammenarbeit angesehen werden muß.

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