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Gelbe Wanzen

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Im Jargon der Auskundschaftungs- und Aufklärungsbranche bedeutet „Wanze“ jenes Abhörgerät, das überall, im Hotelzimmer, unter dem Ehebett, hinter dem Gemälde, auf dem Auto, ja in der berühmten Olive im Martini angebracht werden kann. Das weiß fast schon jeder Laie, der gerne Krimis liest. Was bisher in Österreich hoch nicht sehr bekannt ist, ist ein Geheimerlaß der KPCh und der volkschinesischen Regierung über die Arbeit der gelben Wanzen im Verkehr mit den Fremden, die nach dem diplomatischen Tauwetter in zunehmendem Maße das Reich der Mitte besuchen

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Im Jargon der Auskundschaftungs- und Aufklärungsbranche bedeutet „Wanze“ jenes Abhörgerät, das überall, im Hotelzimmer, unter dem Ehebett, hinter dem Gemälde, auf dem Auto, ja in der berühmten Olive im Martini angebracht werden kann. Das weiß fast schon jeder Laie, der gerne Krimis liest. Was bisher in Österreich hoch nicht sehr bekannt ist, ist ein Geheimerlaß der KPCh und der volkschinesischen Regierung über die Arbeit der gelben Wanzen im Verkehr mit den Fremden, die nach dem diplomatischen Tauwetter in zunehmendem Maße das Reich der Mitte besuchen

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Das ZK der KPCh und der Staatsrat (Guowuyuan = Zentralregierung) der Volksrepublik China haben am 21. Mai 1972 ein geheimes Dokument mit der Bezeichnung „Instruktion über den Empfang von Ausländern, Chinesen mit ausländischer Staatsbürgerschaft, chinesischen Studenten im Ausland und allgemeinen Überseechinesen“ erlassen. Eine Kopie dieses internen Dokuments ist in Kanton in die Hände von westlichen Journalisten geraten. Es enthält folgende Punkte (voller Wortlaut):

• „An alle Ministerien, Ausschüsse des Staatsrates, Parteikomitees der Provinzen (Autonomen Regionen), Revolutionskomitees der Provinzen (Autonomen Regionen), und der Militärregionen:

Nachdem für unser Land die legalen Rechte in den Vereinten Nationen und ihrer untergeordneten Organisationen wiederhergestellt wurden, haben viele Länder, die früher diplomatische Beziehungen' zur Tschiangkaischek-Clique unterhielten, nun diplomatische Beziehungen zu unserem Land aufgenommen; einige Länder verkehren bereits mit uns, so auch die USA, die früher überhaupt keinen Kontakt mit unserem Land hatten, und obwohl sie heute noch keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zu unserem Land haben.

Später werden sicherlich viele Beamte, Staatsbürger und auch Chinesen mit der Staatsbürgerschaft dieser Länder in unser Land kommen, um hier offizielle oder Handelsangelegenheiten zu erledigen oder um zu reisen und Besuche abzustatten. Es werden auch Studenten aus Taiwan, die in diesen Ländern studieren, Auslandschinesen, die nach der Befreiung unseres Landes noch nie im Vaterland gewesen sind, in unser Land kommen wollen, um es zu besichtigen und um mit Verwandten Kontakt aufzunehmen. Es wird unvermeidlich sein, daß sich unter diese Leute Agenten mischen, die von den Spionageorganisationen der imperialistischen Staaten und der Tschiangkaischek-Clique gekauft wurden. Sie werden kommen, um hier zu sabotieren. Die anderen Leute, obwohl sie keine Spione oder Agenten sind, entsprechen uns durch ihre bourgeoise Lebensweise und Ideologie nicht und stehen im Gegensatz zur Arbeitsamkeit und Genügsamkeit unseres Volkes. Sie sind für die sozialistische Gesllschaft schädlich. Sobald diese neuen Faktoren auftauchen, wird der Klassenkampf in unserem Land sicherlich noch schärfer und komplizierter werden. Partei und Regierung müssen darauf vorbereitet sein. Auf alle Fälle sollen die negativen Wirkungen soweit wie möglich verringert werden. Wir haben dafür zwei Prinzipien: Erstens muß die Grenze zwischen dem Feind und uns genau gezogen werden. Zweitens muß die Klassenanalyse entschieden durchgeführt werden. Die verschiedenen Elemente soll man unterschiedlich behandeln:

• Die ausländischen Beamten, die offizieller Angelegenheiten wegen in unser Land kommen, werden vom verantwortlichen Sicherheitsorgan empfangen. Ihre Lebensbedürfnisse sollen so gut als möglich befriedigt werden. Die Modelle, die wir ihnen zeigen wollen, müssen überzeugend sein: Man soll die Gäste planmäßig führen. Es muß strengstens vermieden werden, daß Gäste aus eigener Initiative private Kontakte zu unserem Volk aufnehmen. Neben dem notwendigen Austausch von geschäftlichen Materialien ist es verboten, ihnen irgendein Dokument oder Muster zu übergeben, das mit dem Geschäft nichts zu tun hat.

• Die ausländischen Staatsbürger, die zur Erledigung geschäftlicher Angelegenheiten und kultureller Aktivitäten oder aus Gründen allgemeiner Touristik um Einreise in unser Land ansuchen, müssen strengstens überprüft werden. Nachdem sie eingereist sind, sollen die Behörden, die für die Einladung verantwortlich oder domit einverstanden sind, gemeinsam mit dem Sicherheitsorgan die Methode der Überwachung jeder Person durch eine weitere Einzelperson anwenden, damit die Gäste keine Gelegenheit haben, illegale Aktivitäten zu entfalten, bis sie unsere Grenzen wieder verlassen haben.

• Chinesen mit ausländischer Staatsbürgerschaft sind gleich zu behandeln wie Ausländer. Die Überprüfung ihrer Einreise und die Überwachung nach ihrer Einreise müssen besonders streng gehandhabt werden. Es ist absolut verboten, daß sie sich aus eigener Initiative unter das Volk unseres Landes mischen, um vielleicht illegale Aktivitäten durchzuführen. Wenn sie bei öffentlichen Veranstaltungen erscheinen, muß das Begleitpersonal ihre Eigenschaft als Ausländer besonders unterstreichen, um so die Wachsamkeit der Masse zu erhöhen.

• Studenten aus Taiwan, die im Ausland studieren, stammen zum größten Teil aus Familien von Bürokraten, Grundbesitzern und aus der Bourgeoisie. Ihre reaktionären Gedanken sind tief eingewurzelt. Nur ein sehr kleiner Teil von ihnen wurde von unserer Untergrundorganisation zur Agitation erzogen. Dieser Teil hat bei der Teilnahme an einer Reihe politischer Kampagnen spontane fortschrittliche Tendenzen unbestimmten Grades erkennen lassen. Die Vereinigte Front soll unter diesen eine Auswahl treffen und die Repräsentativsten nach China einladendem die Spaltung unter den taiwanesischen Studenten im Ausland zu fördern. Die Zahl der Eingeladenen muß jedoch beschränkt bleiben. Während des Aufenthaltes dieser Leute in unserem Land muß das ihnen zugeteilte Sicherheitsorgan sie schärfstens überwachen. Es ist absolut verboten, daß sie sich aus eigener Initiative mit ihren Verwandten oder mit alten Freunden treffen oder gar geheime Dokumente zu Gesicht bekommen. Besichtigungen und Besuche müssen vorher geplant und arrangiert werden. Ihre Wünsche sind an die vorgesetzte Stelle weiterzuleiten: erst nach deren Zustimmung ist darauf zu antworten. Diejenigen, die im Land bleiben und arbeiten wollen, bekommen ausnahmslos keine Bewilligung hiezu. Man soll sie ermutigen, in das Land zurückzukehren, wo sie studieren, um dort patriotische Aktivitäten zu entfalten und gegen die Kuomintang-Reaktionäre zu kämpfen.

• Die Überseechinesen, die nach der Befreiung noch nie das Vaterland besucht haben, sind politisch relativ zurückgeblieben. Ihre Absicht, ins Vaterland zurückzukehren, entspringt dem feudalen Gedanken, daß fallendes Laub zur Wurzel zurückkehrt, oder sie wollen die Rückkehr nur anbahnen, um Geschäfte zu machen. Das Empfangspersonal soll versuchen, ihr patriotisches Bewußtsein zu wecken und sie zu ermahnen, ihre soziale Stellung und ihre gesellschaftlichen Beziehungen in ihrem Gastland auszunützen, um die revolutionäre Sache der Partei zu unterstützen.

• Alle fremden Elemente, ungeachtet ihrer Herkunft, denen Spionagetätigkeit nachgewiesen wurde, müssen ausnahmslos verhaftet und strengstens bestraft werden. Jene, die verdächtig sind, denen man jedoch nicht genug nachweisen kann, ist die Ausreise vorübergehend zu verbieten; erst nach der Klärung aller Fragen sind sie zu maßregeln.

• Außer dem Personal, das für den Empfang der Gäste bestimmt wurde, ist es allen Personen ausnahmslos verboten, mit den fremden Elementen Kontakt aufzunehmen. Wer sich weigert, wird unter der Beschuldigung des Landesverrats bestraft.“

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