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Gesetze werden nicht vollzogen

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FURCHE: Wie sehen Sie die Situation der Abfallentsorgung in Niederösterreich?

MONIKA LANGTHALER: Im Abfallbereich liegen die wirklich großen Probleme im Bereich von Industrie und Gewerbe. Viele Unternehmen haben äußerst problematische Abfälle. Viel davon landet in der Hausmüllabfuhr und somit in Landesdeponien.

FURCHE: Wie beurteilen Sie aber die neuen Ansätze bei der Hausmüllentsorgung?

LANGTHALER: Gott sei Dank gibt es jetzt endlich in Niederösterreich vernünftige Ansätze zur Müllentsorgung. Immerhin haben wir ja 15 Jahre intensiver, ökologischer Bewußtseinsbildung auf diesem Sektor hinteruns. So erfreulich das ist, kann man es auch wieder nicht als weltbewegend bezeichnen.

Auf lange Sicht wird wohl auch sogenannte Recycling-Höfe einrichten müssen: Alte Radios, Fernseher, Waschmaschinen und ähnliches - es fällt im Sperrmüll an -sollten an einer Sammelstelle zerlegt oder repariert werden.

FURCHE: Gibt es solche Versuche schon?

LANGTHALER: Ja, etwa in Wien und in Linz. Man kann also nicht sagen, Niederösterreich sei in Sachen Müll in jeder Hinsicht Vorbild. Aber Gott sei Dank, daß jetzt in Niederösterreich etwas in Sachen Mülltrennung in Bewegung geraten ist.

FURCHE: Welche weiteren Maßnahmen sind jetzt vordringlich?

LANGTHALER: In Niederösterreich gibt es vor allem auch Probleme auf der Beamtenebene, insbesondere was die wasserrechtlichen Bescheide anbelangt. Da ist die Situation katastrophal. Unfaßbar, was in der Mittemdorfer Senke an Bescheiden verbrochen worden ist.

FURCHE: Inwiefern sind da die Beamten schuld?

LANGTHALER: Das große

Problemkind ist

der Sondermüll. Seine datenmäßig Erfassung ist unbedingt erforderlich. Und da könnte die Bezirkshauptmannschaft über die Gewerbeordnung einiges erreichen. Sie stellt ja die gewerberechtlichen Bescheide aus. Und mit diesem Instrument wäre das notwendige Wissen zu sammeln. Jeder Betrieb, jede Anlage braucht ja mehrere Bescheide, um tätig werden zu können. Engagierte Beamte könnten da einiges machen.

FURCHE: Sie lassen kein gutes Haar an den Beamten.

LANGTHALER: Den Beamten muß man zwar zugute halten, daß sie vielfach überfordert sind: Oft sind die Stellen unterbesetzt. Oft sind die Mitarbeiter nicht am neuesten Stand des Wissens, inhaltlich einfach überfordert. Oft habe ich fünfmal mehr Wissen in einem konkreten Verfahren gehabt als der zuständige Beamte. Ich hatte mich eben intensiv - auch im Ausland - informiert. Bis aber ein Beamter eine entsprechende Bewilligung zu einer Informationsreise bekommt, ist das Verfahren längst zu Ende. Und was noch dazu kommt: Meist verdienen Beamte zu wenig. Und das fördert eine gewisse Anfälligkeit, von Firmen vereinnahmt zu werden, um es charmant zu umschreiben. Jeder, der sich mit Gutachten auseinandersetzt, weiß, daß das tagtäglich passiert - auch in Niederösterreich. Im Abfallbereich ist das besonders schlimm, weil da ja viel Geld im Spiel ist.

FURCHE: Ist das nicht übertrieben?

LANGTHALER: Ein Beispiel aus Wien: Da wird eine riesige Altlast von einer Firma abgesichert. Weil die Gemeinde kein Geld für die Alt-, lastensanierung hat, sagt die Firma folgendes: Wir übernehmen die Altlastsicherung um rund 400 Millionen Schilling - aber unter der Voraussetzung, daß wir nachher weiter deponieren dürfen. Und zwar auf sieben Millionen Kubikmeter. Geht man davon aus, daß eine Tonne Bauschutt zu deponieren billigstenf alls 1.000 Schilling kostet, so ergibt das

einen Geschäftsrahmen von sieben Milliarden Schilling. Das sind die Summen, die im Spiel sind!

Und was noch dazukommt: Die Beamten arbeiten in einem Korsett. Von oben stehen sie von Seiten der Politik oft unter ganz massivem Druck. Auf der einen Seite gibt es den Druck der Bürger, auf der anderen den der Betreiber.

FURCHE: Und der Ausweg?

LANGTHALER: Man müßte die Amtshaftung auf ganz brutale Weise einführen. Ich sehe keinen anderen Weg, die Katastrophen zu vermeiden. Wenn jemand fahrlässig Bescheide ausstellt, die Gesetze einfach nicht vollzieht, gegen besseres Wissen eine riesige Umweltverschmutzung heraufbeschworen wird, dann sollte das einfach als Umweltstraftatbestand festgehalten werden.

FURCHE: Wer wird diese Arbeit dann noch machen?

LANGTHALER: Natürlich bedarf es auch einer besseren Bezahlung und verbesserter Arbeitsmöglichkeiten. Natürlich bedarf es auch einer personellen Aufstockung der entsprechenden Dienststellen.

Für mich ist das der Kernpunkt, warum das Umweltrecht nicht funktioniert. Die Verwaltung läßt aus. Zum Teil bestehen gar nicht einmal so schlechte Umweltgesetze. Sie werden aber nicht vollzogen. Dagegen kämpfe ich seit Jahren. Wenn man mir noch so gute

Konzepte vorsetzt, sage ich toll. Bei manchen Konzepten (in Wien und Linz) habe ich selbst mitgewirkt. Aber was nutzt das, wenn auf der Verwaltungsebene nach wie vor tiefstes Mittelalter herrscht? Was nützt das beste Sonderabfallgesetz, wenn man es nicht vollzieht?

FURCHE: Wie beurteilen Sie den Freispruch im Prozeß um die Fischer-Deponie?

LANGTHALER. Das ist eine logische Konsequenz des Umweltstrafrechts. Sobald jemand einen gültigen Bescheid hat, kann man ihm nichts anhaben. Namhafte Juristen haben schon über das folgenlose Umweltrecht geschrieben.

FURCHE: Zurück zum Müll. Sind Sie nicht doch zufrieden mit diesem neuen System der Sammlung?

LANGTHALER: Eigentlich habe ich nie verstanden, warum es so lange gedauert hat, bis getrennte Hausmüllsammlung eingeführt worden ist. Sicher: Ein solches System dem Konsumenten g'schmackig zu machen, das ist schwierig. Aber dort lag ja meist gar nicht das Problem. Eigentlich war es ja umgekehrt. Die Konsumenten, die viel mehr Aufwand durch diese Art des Sammeins haben, waren bereit, aber die Bürgermeister zu überzeugen war oft viel schwieriger. Und dabei geht es um rasches Handeln. Die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre sind die letzten, in denen wir noch halbwegs geordnet die Weichen im Umweltbereich, zu einer anderen Form des Wirtschaftens stellen könnnen. Wenn in dieser Zeit nichts geschieht, dann werden die Probleme so riesig werden, daß rasche, brutale Maßnahmen gesetzt werden müssen. Dann wird von Mitbestimmung der Bürger keine Rede mehr sein. Man könnte es sich heute schon ausrechnen, daß weiterhin steigender Müllanfall und Mangel an Deponien nicht in Einklang zu bringen sind. Dann können wir die Ökologie vergessen.

Monika Langthaler ist Nationalratsabgeordnete der Grünen.

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