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Kirche als Verein?

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Präzis müßte die Frage lauten: Wird die einzige Kirche im Machtbereich Moskaus, die noch in öffentlichen Dingen einen — wenn auch bescheidenen — Einfluß ausüben kann, die Kirche in der DDR, ihren öffentlich-rechtlichen Charakter einbüßen? Und zwar die evangelische so gut wie die katholische?

Zu den spezifischen Ausprägungen der Reformation in Deutschland gehörte eben dieser öffentlich-rechtliche Charakter der Kirche. Skandinavien, England, die Schweiz, Österreich — protestantische, katholische und hochkirchliche Gemeinschaften haben in diesen Ländern bis zur Stunde den gleichen Status. Er besagt, daß die Kirchen neben den Rechten — Steuererhebung und Beamtenstatus zum Beispiel — auch Verpflichtungen übernehmen, die weit über die seelsorgliche Betreuung hinausgehen. Vor allem auf dem Gebiet der Diakonie sind sie unübersehbar geworden: konfessionelle Krankenhäuser etwa waren und sind für jedermann da.

In der DDR als dem einzigen Ostblockland haben sich die Kirchen bisher nicht in den Winkel des Ver-einstebens abdrängen lassen, sondern kräftig von den verbliebenen, wenn auch arg geschrumpften Rechten, die ihnen auf dem Papier noch zustanden, Gebrauch gemacht. Die Theologen haben ihre Professoren an staatlichen Universitäten, das Recht der Steuereinziehung liegt bei den Kirchen, die Jugendarbeit, wenn auch immer wieder behindert, kann sich auf Grund der Statuten, welche in kirchlicher Arbeit eben nicht nur genehmigungspflichtige Veranstaltungen eines Vereins sehen, relativ gut halten.

Im Juni, auf dem 9. Parteitag der SED, so geht das Gerücht, soll es damit ein Ende haben. Dem Staat sind diese Rechte, auch wenn er sie immer wieder beschneidet, ein Dorn im ^AU&&'Das-i sowjetische Modell verlockt: Vereine sind dort die Kirchen schon längst und können entsprechend strenger überwacht und notfalls gemaßregelt werden. Dem staatlichen Kirchensekretariat in Ost-Berlin wäre damit gelungen, was sein Chef, das ZK-Mitglied Sei-gewasser, seit langer Zeit anstrebt. Bischofsernennungen ohne Befragung der Behörden hätten dann ein Ende und die geringe Anzahl von „Friedenspfarrern“ könnte ihre große Chance haben, endlich jene Posten in den Kirchen zu besetzen, die diese ihnen bisher beharrlich verweigert haben. Der ideologische Kampf gegen die Kirchen würde in ein entscheidendes Stadium eintreten.

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