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Künstler und Kirche-heute

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Provokativ formulierte der bekannte Maler seine Ansichten anläßlich der Katholikentagsvorbereitung zum Thema „Kultur und Glaube" im November 1982 in Graz.

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Provokativ formulierte der bekannte Maler seine Ansichten anläßlich der Katholikentagsvorbereitung zum Thema „Kultur und Glaube" im November 1982 in Graz.

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Braucht der Maler, braucht der Bildhauer, braucht der Architekt die Kirche?

Er braucht sie nicht, er benötigt sie nicht, er bedarf ihrer nicht, um zu überleben.

Er braucht sie nicht als Brotgeber und nicht als Auftraggeber.

Der durchschnittliche, der gewöhnliche Maler oder Plastiker

mißbiaucht allerdings die Kirche, wie er die Politik mißbraucht, er achtet das Ansehen einer Kathedrale ebensowenig, wie er den Unterschied zwischen Vergnügungslokal, Parlament und Kirche beachtet.

Von dieser Mißachtung lebt er.

Heutzutage haben die Artisten nicht mehr mit ihren Auftraggebern zu kämpfen.

Dieser Kampf war früher oft heikel, schwierig, unangenehm, aber trotzdem fruchtbar, ergiebig, wie die Ergebnisse zeigen. Heutzutage ist es lächerlich, von jemandem zu sagen, er muß kämpfen, er muß sich durchsetzen.

Wer so redet, liefert Scheingefechte an der Kunstgewerbefront, dahinter nimmt er ein.

Wenn unsere Banken oder Gewerkschaften neue Bilder, Plastiken erwerben, verwenden sie dazu oft ungebildete, eingebildete Einkäufer, die der Mode unterworfen sind.

Wenn man solche durch Arroganz entstandene Sammlungen, wahre Schreckenskabinette, durchsucht, wird man in ihnen nicht die Kunst der letzten hundert Jahre finden.

Der Grund: Welcher Direktor, Welcher Generaldirektor, welcher Unternehmer bekennt seine Unkenntnis?

Keiner dieser Wirtschafttreiber wird sagen, ich verstehe nichts von der Kunstwissenschaft.

Daher ernennt er die falschen Einkäufer, er läßt falsch einkaufen. Kunstentscheidungen sind schwierig, zuerst muß man sie finden, sie sind schwer zu finden, sie sind schwer zu treffen, ob sie sich treffen lassen, ist Glücksache.

Soll man diesen Wirtschafttreibern, die oft mehr vernichten als sie je wieder aufbauen könnten.

soll man diesen Leuten Glück wünschen?

Wenn es um die Kirchenkunst geht, treten viele Pfarrer in die Fußstapfen der angeführten Direktoren.

Die schlechten Kirchen nach 1945 zeigen diesen verhängnisvollen Weg an, sie sind der Beweis.

Ihre Banalitäten, ihre Kunstgewerbearbeiten zeigen: Schlechte Entscheidungen lassen sich treffen, gute Entscheidungen lassen sich kaum treffen.

Ob sie sich treffen lassen, ist Glücksache.

Soll man der Kirche Glück wünschen?

Unsere Pfarrer erhalten eine mangelhafte Kunstausbildung, ihr Kunstverstand reicht wicht weit.

Er reicht000 oft nur zum Verschachern und Vernichten des Alten, zum Erwerb des zweifelhaften Neien reicht er immer.

In den Priesterseminaren wäre, so hört man, wenig Platz für den Kunstunterricht. " So sieht es aus.

Noch nie war der Zustand unserer Kirchen, ihre künstlerische zeitgemäße Einrichtung schlechter.

Die Einrichtung unserer Kirchen besagt viel, sie bedeutet für die Kirchengeschichte alles, denn später werden die Urenkel urteilen. Die Kunstgeschichte wird ebenfalls ihr Urteil abgeben, frei von den vergangenen Modefragen, frei von der heutigen Verwirrung. Die Ausbildung unserer Pfarrer nimmt darauf wenig Rücksicht.

Man merkt: Die Kirche braucht die Kunst nicht.

Sie braucht sie selten, so sieht es aus.

Braucht der Künstler die Kirche, braucht er den geistigen Grund, auf dem sie gebaut ist?

Er scheint sie nicht zu brauchen.

So wie der durchschnittliche Geistliche seinen Glaubensrock, seinen Ordensrock auszieht, damit die Verwechslung mit dem Sportlehrer, mit dem Sportreporter gelingen kann, so hat der heutige Kirchenkünstler das Verbindliche, das Geläufige, eben das Zeitgemäße gewählt.

Eine Verwechslung mit dem Glauben, wie sie als Beispiel in den Bildern George Rouaults vorkommt, könnte nicht passieren.

Braucht der Künstler den Glauben?

Es gibt keine Kunst ohne Glauben, das ist bewiesen.

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