Der genervte Papst
Einmal mehr zeigt sich, dass das Pontifikat von Franziskus von verstörenden Mehrdeutigkeiten geprägt ist – ein Prozess, der längst auch andere Institutionen erfasst hat.
Einmal mehr zeigt sich, dass das Pontifikat von Franziskus von verstörenden Mehrdeutigkeiten geprägt ist – ein Prozess, der längst auch andere Institutionen erfasst hat.
Man kann sich schon die Augen reiben, wenn so manche Post aus Rom offenbar wird: Da schreiben vier Frauen aus dem konservativen Kirchenlager Deutschlands, die zuvor schon ihre Mandate beim Reformprozess Synodaler Weg niedergelegt haben, Anfang November einen Brief an den Papst. Und der antwortet ihnen vier Tage später höchstpersönlich und bestärkt sie in ihren „Sorgen um die Einheit der Kirche“, die sie durch den Synodalen Weg gefährdet sehen.
Franziskus fordert in dem Brief auf, „sich zu öffnen und hinauszugehen, um unseren Brüdern und Schwestern zu begegnen, besonders jenen, die an den Schwellen unserer Kirchentüren, auf den Straßen, in den Gefängnissen, in den Krankenhäusern, auf den Plätzen und in den Städten zu finden sind“, anstatt das „Heil“ in immer neuen Gremien zu suchen „und in einer gewissen Selbstbezogenheit die immer gleichen Themen zu erörtern“. Die Themen, die Franziskus offenbar nerven, sind die altbekannten „heißen Eisen“ – Macht, Rolle der Frau, Sexualmoral, Zölibat. Und der Synodale Rat, auf den sich die Kirche Deutschlands in großer Mehrheit verständigt hat, ist dem Papst ebenso ein Dorn im Auge wie den vier Briefschreiberinnen. Ein „Beratungs- und Entscheidungsgremium“, wie es derzeit vorbereitet werde, so Franziskus, sei „mit der sakramentalen Struktur der katholischen Kirche nicht in Einklang zu bringen“.
Der Papstbrief wurde kürzlich über die deutsche Tageszeitung Die Welt bekannt und ist auch hierzulande relevant, weil drei der Adressatinnen, die Theologinnen Marianne Schlosser und Katharina Westerhorstmann sowie die Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, an österreichischen Hochschulen lehren.
Konservativ und progressiv zugleich?
Auch der gelernte Katholik kann angesichts dieser Vorgänge verwirrt sein: Hat Franziskus nicht gerade seinen erzkonservativen Kritiker Bischof Joseph Strickland in Texas abgesetzt? Und hat er Kurienkardinal Raymond Burke, seinem ebenfalls aus den USA stammenden, ähnlich gestrickten Gegenspieler, nicht soeben Apanage und vatikanische Wohnung gestrichen? Gleichzeitig gibt er Kritikerinnen aus ebendiesem Kirchenlager recht und desavouiert den deutschen Synodalen Weg, der in vielem den synodalen Prozessen gleicht, die dieser Papst ja anstoßen will – und die er soeben bei der Weltsynode in Rom die erste globale Feuerprobe bestehen ließ.
Hier geschilderte Vorgänge sind ein Markenzeichen des aktuellen Pontifikats, das durch eine Zunahme an Ambiguitäten und Mehrdeutigkeiten geprägt ist. Dass dies in der Widersprüchlichkeit auch im Reden und Tun von Franziskus sichtbar wird, mag biografische Gründe haben. Der Salzburger Theologe Gregor Maria Hoff führt in seiner neuen Diagnose des aktuellen Katholizismus „In Auflösung“ dazu die politische Verwurzelung von Franziskus im argentinischen Peronismus an.
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