Missbrauch in der Kirche: Kampf gegen Windmühlen

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Die katholische Kirche hat weiter ein großes Problem mit Macht und deren Missbrauch. Auch der römische Bischofsgipfel ab 21. Februar wird daran (noch) wenig ändern.

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Die katholische Kirche hat weiter ein großes Problem mit Macht und deren Missbrauch. Auch der römische Bischofsgipfel ab 21. Februar wird daran (noch) wenig ändern.

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Nun ist auch der Missbrauch an Ordensfrauen in den Schlagzeilen: Sogar der Papst sprach davon, dass derartige Zerstörung der Menschenwürde durch Priester und Bischöfe bis heute geschehe. Auch Kardinal Christoph Schönborn äußerte sich in dem berührenden TV-Gespräch mit der Ex-Ordensfrau Doris Wagner im Prinzip gleichlautend. Österreichs oberste Ordensfrau Beatrix Mayrhofer will eine Ombudsstelle für Betroffene einrichten.

Im deutschen Sprachraum wurde die Diskussion durch das Buch "Spiritueller Missbrauch" von Doris Wagner befeuert (FURCHE 5/2019), in dem klar wird, dass es nicht nur um sexuelle Untaten, sondern um Machtmissbrauch durch Priester, Obere und Oberinnen in der katholischen Kirche geht. Beim Missbrauchsgipfel, zu dem kommende Woche die Chefs der Bischofskonferenzen nach Rom reisen, werden diese Fragen auf dem Tapet sein. Wobei, und das ist das Entsetzliche, kirchlich-globales Bewusstsein immer noch fehlt. Was Kardinal Schönborn bei dem am Dienstag auch im ORF ausgestrahlten Gespräch mit Doris Wagner auf den Tisch legte, ließ tief blicken: Schönborn berichtete von einem Kardinal aus dem Süden, der die Missbrauchsdebatte als eine Art Obsession des Nordens ansieht und bis dato nicht zur Einsicht fähig ist, dass auch seine Ortskirche davon betroffen ist.

Hermetisches System, Feudalismus, Männerbündelei

34 Jahre nach der Affäre Groër steigen einem die Grausbirnen auf, was da alles noch ans Tageslicht kommt, und wie weit die Ignoranz verbreitet scheint. Es nützt aber nichts, den Ist-Zustand zu beklagen. Sondern es geht darum, die systemischen Fehler, die zu dieser Lage führen, aufzuzeigen. Auch dabei bleibt nur ein Ceterum censeo: Das hermetische System, der nicht überwundene Feudalismus oder die Männerbündelei, als die sich die katholische Kirche manifestiert, ist zu benennen - und zu verändern. Ohne grundlegende Schritte dazu wird die Missbrauchsproblematik nicht in den Griff zu bekommen sein.

Während jedenfalls hierzulande die Kirche als Anwältin von Demokratie oder Menschenrechten auftritt -und das ist gut so! - übernimmt sie die Erkenntnisse, aufgrund derer sich der liberale Rechtsstaat geformt hat, wie er ist, im eigenen Bereich nicht: Es gibt keine Gewaltenteilung, keine unabhängige Gerichtsbarkeit, keine Transparenz bei Personalentscheidungen (Bischofsernennungen ) oder Konfikten (Lehrverfahren ); auch die Menschenrechtskonventionen wurden vom Vatikan nicht ratifiziert, insbesondere wegen der Frauenfrage, bei der die katholische Kirche dem säkularen Bewusstseinsstand weit nachhinkt.

Nicht nur Papst Franziskus scheint aus der Zeit gefallen

Man muss klar auf den Tisch legen, dass es um Machtfragen geht -auch wenn es sich um sakralisierte Macht handelt. Und weil das in der Diskussion gleich auf den Tisch kommt: Nein, es geht nicht darum, über Glaubensfragen abzustimmen. Aber auch in der Kirche haben alle Christinnen und Christen die gleiche Würde und deshalb Anspruch auf faire Behandlung, faire Verfahren und Transparenz bei Entscheidungen aller Ebenen. Beschämend, dass das immer noch eingemahnt werden muss.

Man darf sich dennoch nicht allzu großen Illusionen hingeben. Denn auch im "freien" Europa weht der Zeitgeist ja längst in andere Richtung: Demokratie wird - mancherorts leise, andernorts schon laut - in Frage gestellt, die Menschenrechte ebenso. Das Engagement von Papst Franziskus für die Menschen am Rand scheint aus der Zeit zu fallen, in der Flüchtlinge sowie alle sozial Schwachen mehr und mehr stigmatisiert werden. Es kann also gut sein, dass auch der Kampf um Demokratie und Menschenrechte in der Kirche ein Kampf gegen Windmühlen bleibt, weil die Gesellschaften weltweit immer weniger Interesse daran haben, diesen Kampf innerhalb wie außerhalb der Religion zu führen.

Es gibt aber keinen Grund, diesen Kampf sein zu lassen. Wenn man so will, dann berichten die Evangelien ja von einem Mann, der in seiner Zeit gegen vielfältige Windmühlen kämpfte. Bekanntlich völlig erfolglos. Aber doch nur zunächst.

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