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Ligeti verläßt Österreich

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György Ligeti verläßt uns — es bleibt uns seine Musik. Er hat eine Professur für Komposition an der Musikhochschule in Hamburg angenommen und wird dort ab 1. April eine Kompositionsklasse leiten.

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György Ligeti verläßt uns — es bleibt uns seine Musik. Er hat eine Professur für Komposition an der Musikhochschule in Hamburg angenommen und wird dort ab 1. April eine Kompositionsklasse leiten.

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FURCHE: \ s hat Sie dazu bewogen, Österreich zu verlassen?

LIGETI: Schweren Herzens mußte ich meine Hoffnung aufgeben, die gleiche Position, die mir jetzt in Hamburg angeboten wurde, an Wiens Musikhochschule zu erlangen. Ich hätte natürlich am liebsten an der hiesigen Hochschule doziert, jedoch türmten sich anscheinend unüberwindliche Hindernisse in unseren Weg. Ich bin österreichischer Staatsbürger, meine Familie, mein Heim sind in Wien und ich freue mich nur darüber, daß, so paradox dies auch klingen mag, ich ab dem kommenden Jahr mich mehr in Wien aufhalten werde können als bis heute: Bis jetzt habe ich zwischen Berlin und Wien gependelt, jetzt wird es zwischen Hamburg und Wien sein. Vergangenen Sommer habe ich in den Vereinigten Staaten an der Stanford University doziert, und meine neue Anstellung wird ähnliche Berufungen ermöglichen.

FURCHE: An was arbeiten Sie zur Zeit?

LIGETI: An einem Auftragswerk des Grazer Musikprotokolls. Es wird eine Komposition für Chor und Instrumentalensemble. Das Werk basiert auf Texten aus „Clocks and Clouds“ (Uhren und Wolken) von Sir Karl Raimund Popper, dem bekannten Philosophen, und wird denselben Titel tragen.

FURCHE: Wo werden in der nächsten Zeit Ihre Werke aufgeführt?

LIGETI: Im Hessischen Rundfunk wird Carl Melles meine „Melodien“ in zwei öffentlichen Konzerten dirigieren. Meine „Aventures“ erscheinen in kurzer Zeit auf der Bühne des Stuttgarter Opernhauses. Aber außerdem habe ich Ihnen eine große Neuigkeit mitzuteilen: Mit besonderer Freude erfuhr ich, daß Aurel von Milloss, den wir alle als Choreographen bewundern, den Wunsch hatte, ein Ballett auf einige

meiner Musikstücke zu schaffen. Überrascht war ich dann, als ich gelegentlich unserer darüber geführten Unterhaltung empfinden konnte, wie verwandt seine tanzpoetischen Ideen mit dem Wesen meiner Musik sind. Seine Visionen konnten mich völlig überzeugen, um so mehr, als diese sowie die von ihm getroffene Wahl und die Zusammenstellung dreier sehr verschiedener Stücke aus meinem musikalischen CEuvre sich in organischer Weise ineinanderfügen. Es handelt sich bei Milloss um einen dramatischen Vorgang, der aber „unerzählbar“ ist, was ja auch meiner persönlichen Musikdramatik voll und ganz entspricht. Wir sind gerade dabei, den Titel dieses am 18. März 1973 an der Wiener Staatsoper zur Uraufführung gelangenden Balletts festzulegen.

PS: Einige Tage später erfuhren wird von Milloss, daß die beiden Künstler den Titel „Per aspera“ gewählt haben. Nun sind es dreißig Jahre, daß Milloss und Bartök mit der gemeinsam erarbeiteten Choreographie zum „Wunderbaren Mandarin“ den Siegeszug um die Welt angetreten haben. Das glückliche Zusammentreffen von Ligeti und Milloss gibt uns die Hoffnung, daß diese neue Kollaboration ebenfalls zu einem großen Erfolg führen wird.

Mit dem Komponisten sprach Sari Juhäsz.

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