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London und Eureka: Vom Saulus zum Paulus

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17 Länder gaben letzte Woche den Startschuß für das europäische Forschungsprojekt Eureka. Mit dabei sind auch die Briten, die ursprünglich dieser Initiative sehr distanziert gegenüberstanden.

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17 Länder gaben letzte Woche den Startschuß für das europäische Forschungsprojekt Eureka. Mit dabei sind auch die Briten, die ursprünglich dieser Initiative sehr distanziert gegenüberstanden.

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In jenen drei Monaten, seit das Eureka-Programm von Paris aus lanciert worden ist, hat sich London vom skeptischen Schweiger zum beredten Anwalt einer Idee, die bislang nicht einmal in allen Einzelheiten klar definiert ist, gewandelt. Die anfängliche Ablehnung liegt in den alten britischen Vorbehalten gegen alles, was die „Grand Nation” vorschlägt, begründet. An der Themse galt Eureka zunächst als Frankreichs zivile Offensive, um der militärischen der Vereinigten Staaten, der Strategischen Verteidigungs-Initiative (SDI), zu begegnen.

Inzwischen haben die Briten eingesehen, daß nicht allein französischer Nationalismus der internationalen Agentur Pate steht, die europäische Tragweite findet ihren Anreiz. Beim Gründungstreffen letzte Woche in Paris wurde denn auch der positive, echt europäische Beitrag Londons zum Programm als auffallend gerühmt.

Stanley Clinton-Davis, vormaliger Labourpolitiker und Mitglied der Brüsseler Kommission, unterstreicht die außerordentliche Wichtigkeit des Projektes für den Kontinent:

„Es hilft uns, eine konzertierte Aktion von seiten Europas — nicht nur innerhalb der Gemeinschaft, sondern auch Außenseiter umfassend - ins Leben zu rufen, und damit eine effektive Antwort auf die enorme technische Herausforderung durch die Vereinigten Staaten und durch Japan zu geben. Wenn wir das nicht tun, gehen wir unter.”

Briten und Deutsche mögen erleichtert sein, daß Eureka sich nach dem Markt orientiert. In diesem Sinne war denn auch der Beitrag des britischen Außenministers, Sir, Geoffrey Howe, gehalten. Die USA haben die Führung in der neuesten Technologie und in der entsprechenden neuen Produktion. Howe machte klar, daß die britische Auffassung von der Nachfrage her bestimmt ist.

Ein Programm, das einen Rückfall Europas hinter die Amerikaner in der Spitzentechnologie („High Tech”) verhindern soll, muß auf Anstrengungen setzen, um die eigene Entwicklung zu verstärken. Mit anderen Worten: In gemeinsamer Kooperation kann Europa technologisch hochstehende Produkte besser und billiger erzeugen, die sich dann vorteilhaft absetzen lassen.

Europa ist nach Howe gut in der Grundlagenforschung und Entwicklung, schwächer allerdings in der Umwandlung der Ideen in vermarktbare Produkte. Die „Financial Times” belegt dies mit Daten: Die europäischen Nationen investieren fast genau so viel wie die USA in die Forschung, ein

Gutteil mehr aber als Japan. Auf die EG-Länder beschränkt, ziehen die zwölf in den Investitionen mit den USA gleich, übertreffen die Japaner diesbezüglich jedoch um das Zehnfache.

Mit vereinten Kräften könnte dieses Manko in der Produktion und im Absatz ausgeglichen werden. Der britischen Regierung schwebt das Ziel vor, Eureka als Hebel zu benützen, um den internationalen Markt für „Hi-Tech-Produkte” europaeigener Herkunft zu erweitern.

Die Schwierigkeit besteht vorderhand noch darin, daß man nicht genau weiß, welche Produkte überhaupt gemeint sind. Um darüber größere Klarheit zu schaffen, schlug Howe in Paris einen Katalog vor, der von „Eurotrans”, kombinierten Formen des Transports auf dem Boden und im Luftraum, bis zu „Eurofak”, der unter Umständen voll automatisierten Fabrik der Zukunft, reicht.

Howe wird allerdings sehr vor-

(APA-Fotodienst) sichtig, wenn es um die Finanzierung aus öffentlichen Mitteln geht — von einem felsenfesten Moneta-risten und ehemaligen Finanzminister in Margaret Thatchers Kabinett auch gar nicht anders zu erwarten. Er überläßt deshalb Paris (mit einer Milliarde Francs) und Bonn den Vortritt.

Vom marktorientierten Standpunkt der Briten aus gesehen heißt das, Sektoren wie Transport, fortgeschrittene Produktion und Automation zu fördern, in der sich, die internationale Kooperation besonders bezahlt macht und die entsprechende Industrie zu ermutigen.

Aufgabe des Staates wäre es, durch Abbau der bestehenden Barrieren eine freie Bewegung der betreffenden Güter und Dienstleistungen in Europa zu garantieren und damit die beste Grundlage für die Industrie zu schaffen. An dieser wiederum liegt es, die relevanten, in das Eureka-Programm fallende Projekte namhaft zu machen.

Trotz bisher schlechtester Erfahrung mit einer gesamtkontinentalen Kooperation, die kommerzielle Geheimhaltung berührt, glaubt London an die Chance mit seinem Vorschlag zu Eureka. Es ist die Idee eines Systems von „Eurotype”-Produk-ten, die mit Patenten oder Garantien ausgestattet werden.

Als Gegenleistung für diese Charakterisierung müßte die entsprechende Firma Design und Technologie im europäischen Raum mit ihren jeweiligen Gegenspielern in anderen Ländern teilen,' ein sicherlich keineswegs unproblematischer Vorgang. Wohl wissend, daß die europäische Gemeinschaft schon mit den Problemen der gemeinsamen Agrarpolitik vordringlich belastet ist, plädierte Großbritannien mit einigen anderen für den Einschluß von Nicht-EG-Ländern (Schweiz, Österreich, Norwegen, Schweden, Finnland).

Was London befürchtet

Aus einer naheliegenden Befürchtung heraus macht sich London für Eureka stark. Großbritannien hält sich auf dem Gebiete hochentwickelter Technologie in Europa für führend. Die Vereinigten Staaten haben reiche finanzielle Mittel für ihr militärisches Projekt frei, Abwerbung von führenden Wissenschaftlern und Technikern könnte Großbritannien — und nicht nur ihm — einen schweren Aderlaß seines Brain Trusts und Begabtenpotentials bescheren.

Die gemeinsame Vorbereitung von Nebenprodukten, die nicht in SDI fallen, die Vorbereitung der Technologie des nächsten Jahrhunderts in Handreichung mit anderen europäischen Ländern könnte diese Gefahr bannen. Und das ließe sich letztlich London auch einiges kosten.

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