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Nach SALT II meinen Kindern gewidmet

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Im Titel dieser Kolumne -„Randbemerkungen eines engagierten Christen“ - liegt ein für das kirchliche und gesellschaftliche Leben in Österreich bedenklicher und bedenkenswerter Widerspruch: Wir möchten gerne engagiert werden und sein, stehen jedoch irgendwie am Rande! Andere schreiben, reden, agieren, uns bleiben scheinbar die Randbemerkungen. Kritische Zuschauer vor dem Eisernen Vorhang...

Erstens sollten wir uns jedoch verbieten, diese so angedeutete Resignation und Distanz gegenüber dem (Zeit-)geschehen vermittels eines reichhaltigen, von Mu-sil bis Handke reichenden Zitatenschatzes zur „eigentlichen“ österreichischen Aktivität umzuinterpretieren.

Daher müßten zweitens die Randbemerkungen immer auch engagierte Vorschläge beinhalten. Die Zeit drängt, wird nicht mit einer immer wieder umdrehbaren Sanduhr gemessen.

Drittens bis zehntens also einige „Möglichkeiten“. Dazu nur generell: Uberlassen wir das Wort „unmöglich“ mit Freuden den Waffenproduzenten, Strategen, Militärs. Auf den Atomkrieg spuckt man am besten in die Hände. Hier die Anregungen:

3. Die österreichischen Politiker bis hinunter zum Gemeinderat stellen ein Jahr lang 10% ihres Einkommens für soziale Projekte zur Verfügung. Zum Kriegführen braucht man Geld, Geld und noch einmal Geld. Moltke oder irgendwer hat das einmal gesagt; ich merk' mir diese Leute schlecht.

4. Die Parteien, Interessenverbände, Kirchen, Kammern, ÖGB usw. sollten jedem Jugendlichen mit Erreichung des Wahlalters ein stabiles, langlebiges Fahrrad schenken.

5. In den Sonntagsgottesdiensten der österreichischen Pfarren wird (ab möglichst bald) mindestens ein Lied mehrstimmig gesungen.

6. Ab 1980: An den Nationalfeiertagen bis 1990 werden Regierungsmitglieder, Journalisten, Wissenschaftler, Künstler... der Anrainerstaaten Österreichs zu einer Open-End-TV-Sendung im ORF eingeladen: Was fällt Ihnen an Österreich positiv auf? Wie wäre das weiterzuentwickeln? Welche Bedeutung hätten die entsprechenden Initiativen für Europa und die Welt?

7. An einem Samstag im Jahr können alle Verkehrsmittel der ÖBB und der Post kostenlos benützt werden. Fahrtausweis: Imbiß und Getränke, die man selbst mitbringt und den Mitfahrenden auch aufwartet.

8. Erstellung einer Liste von Österreichern, die bereit sind, sich einen (Arbeits-)tag im Jahr zum Märchenerzählen in Kinderspitälern, Kohlentragen, zu Kinderbeaufsichtigung, zum Besuch bei einsamen Mitbürgern u. a. von Sozialarbeitern, der Telefonseelsorge, Ärzten usw. „einberufen“ zu lassen.

9. Eine gemeinsame Rom-Wallfahrt der österreichischen Diözesen: zu Fuß, per Rad, mit den öffentlichen

Verkehrsmitteln. Die Wiener Philharmoniker, der Grazer Domchor usw. gestalten einen Gottesdienst am Petersplatz. (Pfingsten oder eine Woche vor Schulbeginn.)

10. Sammlung aller denkbaren Einwände gegen diese Vorschläge, Analyse, Systematisierung der Einwände und - Entwicklung von Vorschlägen, die den aufgetauchten Problemen Rechnung tragen.

Auf die Liste zurückblik-kend: Erinnert mich an die Dinge, die wir uns, noch jung, etwas beweglicher usw., in den sechziger Jahren ausgedacht haben. Warum nicht? Man könnte Robert Musils Bemerkung, daß in Österreich der Möglichkeitssinn ausgeprägter gewesen sei als der Wirklichkeitssinn, ja auch einmal positiv verstehen.

Und die Kostenfrage? Das kostet alles zusammen soviel wie vielleicht ein, zwei Mittelstreckenraketen. Wie viel Schulden hätten wir erst, wenn uns Raketen nicht durch den Staatsvertrag verboten wären? Alles ist möglicherweise möglich. Mögen muß man.

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