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Philosophen statt Macher?

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Die AKH-Erruptionen haben pikanterweise - wie wenn dort zu schnell und zu gut „gemacht" würde! - auch die „Macher" in Mißkredit gebracht. Allerorts ertönt der Ruf nach mehr Moral, nach mehr Grundsätzen, mehr Menschlichkeit und weniger Technik, Effizienz und Kommerz.

Vom Geschrei seiner Parteijugend irritiert, glaubt auch Bruno Kreisky offensichtlich schon, daß Fachleute eher Schaden an-

richten. Und führt gleich ein historisches Beispiel an: Der beste schwedische Finanzminister aller Zeiten sei bezeichnenderweise kein Ökonom, sondern ein Altphilologe gewesen.

Mag sein. Man kann auch Eugen von Böhm-Bawerk und Joseph Alois Schumpeter als Beispiele dafür anführen, daß geniale Ökonomen als Finanzminister scheitern können. Mag auch sein, daß wir uns heute alle, insbesondere aber die Nachkriegsgeneration, zuwenig mit Philosophie und den schönen Künsten beschäftigten.

Daß wir aber an zuvielen „Machern" leiden sollen, überrascht mich. Bisher hatte ich nämlich immer den gegenteiligen Eindruck: Zuviele Philosophen, zuwenige Macher.

Es ist ein blanker Unsinn, die Kategorie Moral einem bestimmten Typus von Menschen zuzuordnen. Moralisch oder unmoralisch sind a priori weder die Macher noch die Philosophen (hier als bewußter Gegensatz im weitesten Sinne verwendet).

Es ist absurd, einem Menschen, der auf organisatorisch-kaufmännischem Gebiet etwas weiterbringt, rundweg die Moral abzusprechen. Und es ist gefährlich dazu: Wird „kaufmännisch", wie man nach der Berichterstattung der letzten Wochen fast schon fürchten muß, zum Synonym für „übervorteilen" u. ä., wird man um den dringend notwendigen Nachwuchs eines Tages fürchten müssen.

Die Japaner und, wahrscheinlich in schon kürzerer Zeit als es uns lieb ist, auch die Chinesen, werden wenig Rücksicht darauf nehmen, ob wir lieber philosophieren oder handeln wollen.

Daß vielleicht tatsächlich mehr Macher als Philosophen der Sünde verfallen, ist noch kein Beweis dafür, daß sie grundsätzlich unanständiger sind. Sie haben eben auch ungleich mehr Möglichkeiten zum Sündigen.

Staatenlenker antiken Zuschnitts, die gleichermaßen als Politiker wie als Philosophen in die Geschichte eingehen, sind wahrscheinlich endgültig Vergangenheit. So menschlich beeindruckend ein Finanzminister sein mag, der locker Taci-tus, Ovid und Livius rezitiert und des Altgriechischen kundig ist, als Steuerzahler ist mir einer lieber, der das Kreditwesengesetz zitieren und sich mit seinen Ressortkollegen bei der Tagung des Währungsfonds in ordentlichem (Neu)Englisch unterhalten kann.

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