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PODIUM

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Als die Existenz einer nieder-österreichischen Literaturgruppe namens PODIUM zu Beginn des Jahres 71 bekannt wurde, erregte diese Neubildung zunächst Kopfschütteln in Literatenkreisen. Was sollte diese neue niederösterreichische Gruppe, die sich neben dem bereits bestehenden „pult“ — ganz abgesehen vom Niederösterreichischen Heimatwerk — nun etabliert hatte, für eine Funktion erfüllen? Die nicht ohnedies schon von diesen beiden Organisationen wahrgenommen worden wäre? Obendrein in einem so literarisch wie geopoli-tisch gestaltlosen Bundesland ohne Hauptstadt, mit Zentrum und Magnet Wien?

Zwar postulierte Wilhelm Szabo, der Dichter des Waldviertels und Initiator der Gruppe, als Programm unter anderem, daß es hier nicht um kleinkariertes Regionaldenken gehe, die Gruppe stehe vielmehr jedem offen, der etwas zu sagen habe; sie verstehe sich als vorurteilsfreies, undogmatisches Forum, als literarischer Katalysator. Doch blieb dieses Programm zunächst als abstrakte Formulierung im Raum stehen und die Aktivitäten der Gruppe — scheinbar — unbeachtet.

In Wahrheit erregte sie sehr wohl Aufmerksamkeit. Tatsache ist aber, daß die Gruppe sich erst bei ihrem dritten Literatur-

symposion, das diesmal in Krems stattfand, auch offiziell eindeutig profilierte. Anlaß dazu war das Referat, das der Dramatiker Herbert Berger zum Thema „Herr Österreicher und die Literatur“ hielt. Literatur ist zum Machtinstrument gewisser Gruppen geworden; sie üben reklamebewußt und zynisch eine Diktatur in Presse, Funk und Fernsehen und weitgehend auch im Verlagswesen aus; für sie ist der Leser nicht Partner, sondern kalkuliertes Objekt; sie nützen ihre besseren Positionen in den Medien skrupellos, um sich dieses Objekt zu unterwerfen oder aber ihm die Rolle des literarisch Unterentwickelten zu suggerieren. Fazit: die allgemein vermerkte Abstinenz vom Buch — soweit Berger.

Dagegen setzte PODIUM sein Gegenkonzept: gegen elitären Anspruch, gegen herrisches Selbstverständnis der Literatur, gegen das Diktat des literarischen Establishments aller Richtungen; für die Arbeit an der Basis, im einzelnen für den Leser als einen echten Partner, für die Begegnung mit ihm in Schule, Betrieb, Strafanstalten, in der Passage, auf Straßen und Plätzen. Hier wurde das Programm zum erstenmal auch expressis verbis in aller Deutlichkeit formuliert.

In der Praxis führt die Gruppe dieses Programm seit ihrem Bestehen durch, auch im Hinblick

auf die Autoren. Ihre Gegnerschaft zu elitärer Intoleranz dokumentiert sie durch die Zusammensetzung der Gruppe ebenso wie durch die Wahl der Mitarbeiter an ihrer Viertel Jahrszeitschrift PODIUM. Beide, Mitglieder wie Mitarbeiter, sind Autoren unterschiedlicher Jahrgänge wie Stilrichtungen. Albert Drach ist ebenso dabei wie Thomas Losch von den Literaturproduzenten, Busta, Vogel, Hahnl, Marginter ebenso wie Schütting, Chobot, Henisch; sie gewannen Wystan Hugh Au den für einen Beitrag in ihrer Zeitschrift ebenso wie Baconsky, Henz, Aichinger.

Basisarbeit betreibt das PODIUM durch unorthodoxe Lesungen, Diskussionen und andere Veranstaltungen. Durch ein öffentliches Literatursymposion einmal im Jahr, bei dem Themen von Allgemeininteresse behandelt werden. Die Gruppe führt jeden März eine Flugblattaktion zum Tag der Lyrik durch. In einer Auflage von 50.000 Stück werden diese Mini-Anthologien an sämtliche Oberschulen Wiens und Niederösterreichs verschickt und am Tag der Lyrik selbst in Wien und niederösterreichischen Städten auf Straßen und Plätzen an die Passanten verteilt.

Die Gruppe verfolgt ihr Programm, den Schauplatz allmählich zu verwandeln, auf dem sich Literaten und Leser tummeln, konsequent. Sie ist zu einem Faktor auf der literarischen Szene geworden, mit dem man rechnen muß.

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