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Republikanische Neuzeit

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Afghanistan hat, nachdem in der Hauptstadt Kabul ein Militärregime die Macht übernommen und die Monarchie gestürzt hatte, die Grenzübergänge nach dem Iran, der Sowjetunion, China und Indien wiedereröffnet.

Kenner der Verhältnisse rätseln über die Rolle des Prinzen Sardar Mohammad Daoud Khan bei dem Putsch. Der Prinz ist ein Vetter ersten Grades des abgesetzten Königs und Ehemann von dessen Schwester. Er galt bislang als der „starke Mann“ der Monarchie und spielte seit seinem durch die neue Verfassung von 1964 erzwungenen Rücktritt als Premierminister eine tonangebende Rolle hinter den Kulissen. Für Afghamistankenner stellt sich daher die Frage, ob er den putsehenden Militärs lediglich als Aushängeschild für die Aufrechtenhal-tung der politischen Kontinuität dient oder der wahre neue Herr Afghanistans sein wird?

Die Ausbildung afghanischer Offiziere auf sowjetischen Militärakademien hinterließ mit einiger Sicherheit auch ideologische Spuren, die für die jetzige Entwicklung mitverantwortlich gewesen sein könnten.

Sollte sich jedoch bestätigen, daß Prinz Daoud Khan die Fäden auf die Dauer in der Hand behalten kann, muß mit einer ähnlichen Entwicklung wie im Libyen des exzentrischen Obersten Moammer El-Gad-dafi gerechnet werden. Der Prinz ist selbst Offizier im Generalsrang und alles andere als ein überzeugter Re-.puWikaneF. Er ,gilt. als extrem arechts-gerichteter Konservativer und tiet-religiöser Moslem. Es ist nicht auszuschließen, daß er sich, wie andere afghanische Staatsstreichler vor ihm, nach einer Anstandsfrist selbst zum König erhebt. Beobachter, die ihn als Premierminister persönlich kennengelernt haben, bezeichneten ihn gelegentlich als eine Art „Saubermann der afghanischen Politik“. Daoud dürfte denn auch, wie bereits seine ersten öffentlichen Ankündigungen verrieten, eine Rückkehr zu streng religiösen Grundsätzen in der Politik anstreben.

Prinz Daouds Versprechen, er werde das Land zu einer wirklichen Demokratie machen, stößt bei Kennern der Verhältnisse auf wenig Glauben. Schon das bisherige Parlament, das jetzt formell aufgelöst wurde, repräsentierte nur eine Scheindemokratie. Seine Mitglieder vertraten, außer sich selbst, höchstens noch die erzkonservativen Grundbesitzer. Oft konnten sie nicht tagen, weil die Mehrzahl der Abgeordneten einfach nicht erschienen war. Der König ließ sie vor wichtigen Abstimmungen mehrfach von der Polizei zusammentreiben. Gegen den neuen Machthaber spricht auch, daß er in seiner zehnjährigen Amtszeit als Regierungschef jeden Reformwillen vermissen ließ.

Für den innerpolitischen und sozialen Zustand Afghanistans typisch ist der Umstand, daß das Steueraufkommen der Landbesitzer seit einem halben Jahrhundert gleichgeblieben ist. Sie waren 1924 von dem Reform-Schah Amman Ullah zum erstenmal steuerlich erfaßt worden. Amman Ullah war später wegen eben dieser Reformen, bei denen ihn vor allem auch der damalige deutsche Gesandte und legendäre Berliner „Lawrence“ Fritz Grobaa unterstützt hatte, gestürzt worden. Sein Nachfolger Nadir Schah endete ebenso wie sein Vorgänger durch ein Attentat. Soweit die bisher vorliegenden Informationen eine erste Prognose erlauben, dürften die neuen Machthaber zwar für eine Dämpfung der Korruption und für ein besseres Funktionieren der Verwaltung sorgen, die soziale Grundstruktur des Landes jedoch nicht antasten.

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