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Schöpferische Unruhe

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Wird es gelingen, die schöpferische Unruhe, aus der heraus Reinhold Schneider lebte, seine Mahnworte in die Zeit sprach und sein Werk gestaltete, in unsere übersättigte Welt hineinzutragen? Werden wir uns aus den Illusionen einer Leistungsgesellschaft befreien und auf ein „Tun der Wahrheit“ endlich besinnen? Das waren Fragen, unter die der Vorsitzende der im Dezember 1970 gegründeten und auf der Freiburger Tagung bereits in voller Aktivität sich der Öffentlichkeit vorstellenden Gesellschaft, Heinrich Ludewig, die Arbeit gestellt wissen wollte. Aus Dresden wurde in einem Brief nicht weniger dringend gefordert, daß man sich auf die Gewissen bildende Kraft und Tiefe des Dichters besinne, auf seine drängende Forderung, neue Gedanken in Richtung auf das Leben der Welt und unsere Existenz zu denken und die Friedensverantwortung zum Richtmaß unseres Tuns machen.

Daß Europa nach seinen jahrhundertelangen Selbstzerflei- schungsexzessen gerade hiefür das Beispiel setzen müßte, bildete den Grundtenor des Vortrages „Europa — Schicksal und Aufgabe“ von Professor D. Meinhold (Kiel). Wenngleich er zu sehr in den alten Vorstellungen der drei geistigen Welten von Rom, Byzanz und Moskau, letzteres als Metropole der Orthodoxie zu verstehen, haften blieb und nicht genügend den wirklichen Sinn der Spannung zwischen Ost und West sichtbar werden ließ. Denn nur, wenn der Westen die Herausforderung besteht und mit seinem abendländisch-christlichen Auftrag den Materialismus östlicher Prägung überwindet, kann der Friede als gesichert gelten.

Solche Perspektiven erschlossen sich eher in dem Vortrag von Professor Heer (Wien): „Friede der Welt — Reinhold Schneider heute.“ Nach ihm ist Reinhold

Schneiders Existenz, sein Werk, sein Denken für Christen und Nichtchristen aufzuschlüsseln, vor allem aber für die Jugend, „die noch nicht beamtet, noch nicht eingebürgerlichte, noch nicht einmilitarisierte Jugend, die vielleicht ein neues Denken sucht“, nach den Worten des Dichters. Steht er doch mit all jenen in einem offenbaren Einvernehmen, die wissen, daß diese heutige Welt zugrunde geht, wenn sie nicht grundlegend verändert wird durch neue Menschen, die neue gesellschaftliche Verhältnisse schaffen.

Dieser Jugend soll die Aktualität der Schriften des Dichters raschestens in einer Auswahl erschlossen werden, der Täter des Friedens, der sich nach den Worten Professor Walter N ig g (Zürich) in seinem Vortrag. „Die Zeit für die ich geboren bin“ für seine Generation geopfert hat. Wegweiser für die Menschen zu sein, diesem Auftrag des Dichters hat er in einer verhängten Stunde Deutschlands vorgelebt, er war im antiken Sinn eine Verleibli- chung der Dichtung. Aber angesichts des Unverständnisses, das ihm entgegenschlug, blieb ihm nur noch die Aufopferung offen. Das dieses Opfer nicht vergebens war, ist der Auftrag für unsere Zeit.

Die Diskussion nach einem Podiumsgespräch ließ erfreulicherweise erkennen, daß gerade in der Jugend das Verständnis hiefür sich regt. So steht zu hoffen, die Gesellschaft, der in den wenigen Monaten bereits mehr als 250 Mitglieder sich angeschlossen haben, möge auf dem eingeschlagenen Weg ihr Ziel erreichen und aus dem inneren Bild Reinhold Schneider die zukunftsweisenden Züge seines Werkes wirksam werden lassen. (Die Geschäftsstelle der Reinhold- Schneider-Gesellschaft befindet sich in Freiburg i. Br., Loretto- straße 40.)

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